Eine Frage an Katrin Barz und Markus Rötzer: Sie haben sich in Ihrer Diplomarbeit mit den Grundlagen zur Rekonstruktion des westlichen Gartens der Villa Berg beschäftigt, was waren Ihre Erkenntnisse?

Die Villa Berg – Der westliche Garten – Grundlagen zur Rekonstruktion

Der westliche Parterregarten der Villa Berg – ein Erwachen aus dem Dornröschenschlaf?

Es war einmal… so beginnen eigentlich nur Märchen. Doch auch nach einem Jahrzehnt geben wir die romantische Hoffnung nicht auf, dass der westliche Garten der Villa Berg wieder im Glanz seiner Ruhmeszeiten erstrahlen wird und kann. Wir, dass sind Katrin Barz und Markus Rötzer, Absolventen der Hochschule Nürtingen. Durch unsere Leidenschaft zu alten Gärten und der Gartendenkmalpflege (daran ist unser ehemaliger Professor Karl Ludwig schuld) setzten wir uns 2001 an unsere Diplomarbeit und machten es uns zur Aufgabe, die „Grundlagen zur Rekonstruktion des westlichen Gartens der Villa Berg“ ans Tageslicht zu bringen.

Markus und ich waren uns von Anfang an einig, dass es ein krönender Abschluss unserer Arbeit sei, darzulegen, dass der westliche Parterregarten mit seinen wunderschönen Einbauten und Achsen nach dem Vorbild des Landschaftsarchitekten Neuners und den geltenden Regeln der Gartendenkmalpflege rekonstruierbar d.h. 100% wiederherstellbar ist.

Parterregarten

Abbildung 1: Parterregarten 1897

Doch warum entfachte gerade dieser Garten unsere Leidenschaft? Aufmerksam wurden wir auf dieses Fleckchen Erde während einer Führung durch die ehemalige und zum Teil noch bestehende Grünachse von Stuttgart. Diese erstreckte sich um 1840 vom Schlossplatz über den  Rosensteingarten und dem Höllschen Bühl zum Örtchen Berg, damals noch nicht zu Stuttgart gehörend. Wir konnten es nicht fassen, dass nicht nur durch Kriege sondern auch durch bauliche Fehlentscheide (wie in vielen Städten), die Grünachse von ihrem ursprünglichen Ausmaß immens an Charme und Fläche verloren hatte und leider immer noch hat.

Grün in der Stadt ist wichtig, sei es zur Kurz- oder Langzeiterholung der Einwohner oder zur Verbesserung des Stadtklimas. Um ein besseres Verständnis zu den Hintergründen und Ereignissen rund um die Villa Berg zu erlangen, verbrachten wir etliche Stunden vertieft in alte Bücher oder durchforsteten Keller nach Plänen und Bildern. Wir hielten am Ende eine umfangreiche Sammlung an Informationen in der Hand und beschlossen, nicht nur auf den Parterregarten in unserer Arbeit einzugehen, sondern auch ansatzweise auf das „drumherum“.

Somit betrachteten wir anfänglich die Gemeinde Berg, ihre und Stuttgarts historische Entwicklung und die Lage in 2001. Nachdem wir uns über die Wichtigkeit der topografischen Lage der Villa klar wurden, widmeten wir uns den fünf Hauptakteuren, die der Villa und ihrem umgebenden Landschaftsgarten ihr Flair gaben:

  1. König Karl (vollständiger Name: Karl Friedrich Alexander) = Auftraggeber
  2. Großfürstin Olga Nikolajewna = Gemahlin König Karls
  3. Friedrich Wilhelm Hackländer = Sekretär und Reisebegleiter von König Karl
  4. Christian Friedrich Leins = Architekt der Villa Berg
  5. Friedrich Neuner = Landschaftsarchitekt/Gartenkünstler

Um die Konzeption der Villa Berg zu verstehen war es unabdingbar, zumindest einen kurzen Abriss der Geschichte und Begrifflichkeit der Villenkultur aufzuzeigen. Dafür wagten wir einen Rückblick von 200 Jahren. Wir stellten fest, dass einerseits die Italienreise des Kronprinzen Karls in Begleitung seines Sekretärs Hackländer und anderseits der Besuch der Weltausstellung in London 1862 und dem Besuch der Villa Goodwin Einfluss auf die Entstehung der Villa Berg und ihrem Garten hatten.

Villa Goodwin

Abbildung 2: Villa Goodwin, England

Von den Geometrien der westlichen Gartenpartien, der Lage, den Blickbeziehungen und des Bauwerks verkörpert die Villa Berg alle Merkmale der Villenarchitektur in 200 Jahren und diente als Vorbild für weitere Villen in Stuttgart.

Die Topographie, das Bauprogramm, die Fassade und das Gebäude an sich erhielten auch ein paar Seiten in unserer Arbeit. Danach gingen wir zu unserem Kernthema über: Dem westlichen Parterregarten. Auch hier legten wir Wert darauf, eine Zusammenfassung des kompletten 16ha großen Gartens abzuliefern. Neben dem westlichen Garten im Renaissancestil bestand der Garten weiter aus:

  1. Orangerie mit angrenzenden Glashäusern
  2. Gemüsegarten mit seltenen Topfpflanzen in den Gewächshäusern
  3. Seen mit Springbrunnen, angelegter Rain mit Kaskaden
  4. Verstreut über den Garten: strohbedeckte Kioske
  5. Irrgarten
  6. Vierreihige Platanenallee
  7. Englischer Landschaftspark
  8. Südlicher Garten im französischen Stil, an der Villa Auffahrtsrampe und Terrassen, Stufen zum Südgarten
  9. Westlicher Garten im Renaissancestil, mit Halbmondsee und Pergola
  10. Rosengarten
  11. Leins Weg
  12. Weinberge, Anleihe an den Ursprungszustand des Höllschen Bühls
Lageplan

Abbildung 3: Lageplan der Villa Berg und Garten

Wie im Lageplan erkennbar, war der westliche und südliche Gartenteil symmetrisch und geordnet angelegt. Ihm gegenüber steht der englische Landschaftspark mit seinen Brezelwegen.

Ein französisch-italienischer Garten oder doch eher englisch? Dies war die nächste Frage die wir uns stellten. Wir sahen uns beide Gartenstile an, analysierten diese und kamen zum Entschluss, dass der Garten der Villa Berg trotz der deutlichen Verwendung von Achsen und weiteren Elementen der italienischen Renaissance, eher einem „Pleasure Ground“ nahe steht. Dies wird auch durch das verwendete Pflanzensortiment untermauert. Eine komplette Auflistung der Pflanzen befindet sich in der Diplomarbeit.

Nach all den erlangten Erkenntnissen zur Kulturhistorie und den baulichen Tatsachen, fühlten wir uns „wissend“ genug die Komplettbetrachtung des Gartens abzuschließen. Es ging an den Parterregarten! Hier gliederten wir unsere Arbeit wie folgt:

  1. Der Parterregarten bis 1890
  2. Der Parterregarten im 20. Jahrhundert
  3. Bestandsaufnahme
  4. Die heutige Nutzung

In Kapitel 1 gingen wir auf die Unterschiede des geplanten und tatsächlich ausgeführten Garten, auf die Achsen und Richtungen, die Höhensprünge des Geländes, die Pflanzen und den angelegten Beet Formen, den baulichen Elementen sowie den Statuen und Brunnen, dem Wegesystem und den Rasenflächen.

Das Kapitel 2 beschreibt den Wandel der Villa Berg und des Gartens im 20. Jahrhundert. Unter anderem der Verkauf des Areals am 20.09.1914 an die Stadt Stuttgart, die Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg und den Verkauf an den Süddeutschen Rundfunk. All das hat seine Spuren an der Villa hinterlassen.

Wie der Titel „Bestandsaufnahme“ schon verrät, haben wir uns für dieses Kapitel vor Ort begeben und alle Elemente, die im ersten Kapitel beschrieben wurden, gesucht, aufgenommen, fotografiert und analysiert. Der Ist-Zustand wurde dokumentiert, der uns teilweise schockierte. Denn verglichen mit der damaligen Oase, die zum Verweilen einlud, konnte bzw. kann man nur noch mit viel Fantasie erahnen, welches Prunkstück der westliche Garten einst war.

„Die heutige Nutzung“ und das letzte Kapitel des Parterregartens beinhaltet die Nutzung der Villa durch den SWR. Unsere Diplomarbeit entstand noch zu Zeiten, als die Villa Berg Eigentum des SWR und somit die Nutzung klar definiert war: Sendesaal, Büroräume und Veranstaltungsort. Der Garten an sich entwickelte sich von einem Bürgerpark (Von Adelshäusern angelegte Grünanlagen, später für die Bürger geöffnet), zum Volkspark, zum Stadtpark und heute?

Spaziergänger nutzen die Fläche, manche spielten Schach oder unterhielten sich auf den Parkbänken in der Sonne, Frisbee wurde gern gespielt und die Mitarbeiter des SWR verbrachten dort ihre Mittagspause. Doch zum Verweilen lud er nicht ein, eher zum „Durchgehen“. Zu einem Besuch bei Nacht rieten wir keinem.

Visionen, ja die haben wir und auch wenn der Zustand des Gartens 2001 erbarmungswürdig ist, ist er zur Entwicklung eines Leitbildes eher förderlich, da er nicht durch andere Zeitströmungen beeinflusst wurde. Damit ist es möglich, die  wenige historische Substanz zu erhalten, durch Grabungen zu verifizieren und zu untersuchen.

„Wenn die überkommene historische Substanz aus nur einer Anlagephase stammt und der Originalzustand hinlänglich genau dokumentiert ist, muss er als höchstes Ziel heutiger und künftiger Behandlungen des Gartens angesehen werden.“ (Hennebo, Gartendenkmalpflege, S. 58).

Da der Parterregarten aus nur einer Anlagephase besteht und wir mit unserer Diplomarbeit eine Dokumentation abgeben, muss es – laut Hennebo – unser höchstes Ziel sein, diesem Garten sein Ansehen zurück zu geben. Schon 2001 schlugen wir deshalb kurzfristige, mittelfristige und langfristige Maßnahmen zum Erhalt und Sicherung des Parterregartens vor.

Nach all den Erkenntnissen sind wir 2001 zu dem Fazit gekommen, dass durch die genannten Gründe eine Rekonstruktion des westlichen Gartens möglich ist. Ob dies nach 12 Jahren ebenso zutrifft, lässt sich nur hoffen. Klarheit darüber kann nur eine weitere Betrachtung unter den Aspekten der Gartendenkmalpflege geben. Da es jedoch keine weiteren baulichen Veränderungen am Gelände gab, stehen die Chancen gut, den westlichen Garten aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken.

Der Park der Villa Berg ist einmalig in Stuttgart. Sei es aus kulturhistorischer oder kunsthistorischer Sicht. Diese Eigenschaften sollte sich die Stadt endlich zu Eigen machen und die Gunst der Stunde nutzen, eine Perle in Stuttgart wieder aufleben zu lassen.

Die vollständige Diplomarbeit finden Sie hier. Eine weitere Veröffentlichung oder Vervielfältigung der Diplomarbeit ist nicht erlaubt.

Katrin Barz ist Marketerin in Berlin und Inhaberin der Agentur “Katrin Barz – kreativ, flexibel & spontan”. Geboren in Holzminden, der Heimatstadt des Barons von Münchhausen, verbrachte sie Kindheit und Jugend im beschaulichen und gemütlichen Städtchen Mengen (Landkreis Sigmaringen). Dort absolvierte sie ihr Abitur und schloss auch ihre Ausbildung zur Floristin ab. Für ihr Studium der Landschaftsarchitektur zog es sie nach Stuttgart. 2003 startete sie ihren Quereinstieg ins Marketing und ist seither begeisterte Marketerin.

Markus Rötzer ist Landschaftsarchitekt bei faktorgruen – Freie Landschaftsarchitekten und verantwortlich für Entwurf, Wettbewerbe und Ausführungsplanung. Faktorgruen ist mehr als ein Büro für Landschaftsarchitektur – geplant wird für den Menschen mit all seinen Wünschen und Bedürfnissen, für eine lebenswerte Umwelt und eine intakte Natur. Seit 1983 beschäftigen sich hiermit im Büro faktorgruen über 30 Landschaftsarchitekten, Diplom-Ingenieurinnen, Geo-Ökologen und technische Mitarbeiterinnen.

Die Autoren danken dem Garten-, Friedhofs- und Forstamt der Landeshauptstadt Stuttgart, Herrn Andreas Hellmann für die Unterstützung und Freigabe zur Veröffentlichung.