Hervorgehobener Beitrag

Abschluss der Initiative „Geschichte trifft Zukunft – Occupy Villa Berg“

Die temporäre Initiative „Geschichte trifft Zukunft – Occupy Villa Berg“ ist nun selbst Geschichte. Mit dem Kauf der Villa Berg durch die Stadt Stuttgart Ende 2015 hat die Initiative ein wichtiges selbstgestecktes Ziel erreicht und übergibt den Staffelstab nun an die Stadt Stuttgart. Am Donnerstag, 3.12.2015 haben wir bei unserer Abschlussveranstaltung im Restaurant Theater Friedenau Herrn Oberbürgermeister Kuhn vor mehr als 130 Gästen unsere Projektdokumentation übergeben. Auf etwa 250 Seiten haben wir unsere Aktionen und das gesammelte Wissen aus Bestandsaufnahme, Gastbeiträgen und Beispielprojekten gebündelt und persönliche Einblicke, kreative Beiträge und inspirierende Ideen für die Zukunft dokumentiert. Die Projektdokumentation ist inzwischen auch online verfügbar. Anfang 2016 haben wir zudem über 100 Kontakte von Freundinnen und Freunden der Villa Berg, die in das zukünftige städtische Beteiligungsverfahren einbezogen werden möchten, an das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung übergeben. Wir möchten uns für die viele Unterstützung bedanken und hoffen mit Occupy Villa Berg ein Beispiel für eine bürgerschaftlich getragene Beteiligungsplattform gegeben zu haben. Danke!

Villa Berg-Koordination bei der Stadt Stuttgart

Liebe Freundinnen und Freunde der Villa Berg,

gerne stellen wir Ihnen abschließend noch den Kontakt zu den Ansprechpartnern für die Villa Berg und das zukünftige Beteiligungsverfahren bei der Stadt Stuttgart zur Verfügung.

Landeshauptstadt Stuttgart
Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung
61-8 Abteilung Stadterneuerung, Bodenordnung
+49 711 216-20301 oder 20302  (Vorzimmer)
poststelle.61@stuttgart.de

Damit verabschieden wir uns, sagen Danke und wünschen der Villa Berg und dem Park alles Gute für die Zukunft.

Städtischer Beteiligungsprozess – Weitergabe von Email-Adressen

Die Initiative Occupy Villa Berg endet mit dem Kauf der Villa Berg durch die Stadt, nun wird die Stadt Stuttgart im Jahr 2016 einen eigenen Beteiligungsprozess initiieren. “Dabei können wir auf die hervorragenden Vorarbeiten von Occupy Villa Berg aufbauen und die vielen Ideen in die Bürgerbeteiligung mit einbeziehen” sagt Oberbürgermeister Fritz Kuhn.

Damit Sie in Zukunft direkt von der Stadt Stuttgart über den Beteiligungsprozess und die Zukunft von Villa Berg und Park informiert werden, haben wir Ihnen angeboten Ihre Email-Adresse an die Stadt weiterzugeben. Über 100 Freundinnen und Freunde der Villa Berg sind dem Aufruf gefolgt und wollen sich in den zukünftigen städtischen Beteiligungsprozess einbringen. Die Kontakte haben wir Ende Januar an das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung der Stadt Stuttgart übergeben.

Pressemitteilung: Stadt übernimmt die Villa Berg (17.12.2015)

Die Stadt Stuttgart teilt in einer Pressemitteilung am 17.12.2015 folgendes mit:

„Die Landeshauptstadt Stuttgart übernimmt zum 1. Januar 2016 die Villa Berg und die ehemaligen Fernsehstudios. Der Vertrag dazu wurde jetzt mit GERCH Development GmbH (vormals: PDI Property Development Investors GmbH) unterzeichnet. Die Stadt hatte im Juni 2015 bekannt gegeben, die Villa Berg und die dazugehörigen Fernsehstudios mit einer Grundstücksfläche von insgesamt 11.230 Quadratmetern für 300.000 Euro zu erwerben.

Oberbürgermeister Fritz Kuhn erklärte: „Der Vertragsabschluss hatte sich hingezogen. Inzwischen sind alle offenen Fragen geklärt. Ich bin erleichtert, dass die Kuh vom Eis ist und wir uns mit Matthias Düsterdick geeinigt haben.“ Ziel der Stadt ist es, die Villa öffentlich nutzbar zu machen und den Park – angelehnt an die historische Wege- und Achsenkonzeption – wiederherzustellen und den Bürgern zurückzugeben.

Die konkrete Nutzung von Park und Villa soll mit den Bürgern in einer Bürgerbeteiligung entwickelt werden. „Dabei können wir auf die hervorragenden Vorarbeiten von Occupy Villa Berg aufbauen und die vielen Ideen in die Bürgerbeteiligung mit einbeziehen“, so der Oberbürgermeister.

Nach förmlicher Übernahme wird die Stadt zunächst den baulichen Zustand der Villa Berg erfassen und bewerten. Erst danach können Aussagen über Aufwand und Kosten einer Sanierung sowie den Beginn der Bürgerbeteiligung zur künftigen Nutzung gemacht werden.“

Quelle: Stadt Stuttgart

Villa Berg (Foto: Prof. Horst Sondermann)

Abschlussveranstaltung Occupy Villa Berg (03.12.2015)

Wir haben am Donnerstag, 3. Dezember ab 19.30 Uhr alle FreundInnen der Villa Berg und ihres Parks, alle TeilnehmerInnen unserer Aktionen, alle WegbegleiterInnen von Occupy Villa Berg und alle BürgerInnen, die an der Zukunft von Villa und Park interessiert sind, eingeladen ins Restaurant Theater Friedenau zu unserer Abschlussveranstaltung. Über 130 Gäste sind unserer Einladung gefoglt. Gemeinsam haben wir auf 2 1/2 Jahre Occupy Villa Berg zurückgeblickt, die Ergebnisse gefeiert und den Staffelstab offiziell an die Stadt Stuttgart übergeben. Wir freuen uns sehr, dass Oberbürgermeister Fritz Kuhn unsere Projektdokumentation entgegengenommen hat.

Programm:

  • Jürgen Brand (Stuttgarter Zeitung), Begrüssung und Abendmoderation
  • Kammermusik mit dem Villa Berg Quartett (Gabriele Turck, Gesa Jenne, Ingrid Philippi, Wolfgang Düthorn)
  • Auf höchstem Niveau. Die Villa Berg als Ort der Kultur – Geschichte und Anknüpfungspunkte“ (Dietrich Heißenbüttel, Autor und Kunsthistoriker)
  • Beteiligung kreativ gestalten – Erkenntnisse & Perspektiven zur Zukunft der Villa Berg“ (Frieder Hartung, Stadtplaner)
  • Podiumsgespräch mit Oberbürgermeister Fritz Kuhn
  • Übergabe der Projektdokumentation der Initiative „Geschichte trifft Zukunft – Occupy Villa Berg“
  • anschließend Ausklang und geselliges Beisammensein

„Ideen, Wünsche, Bilder und Aktionen 2013-2015“

Occupy Villa Berg ging nach zwei Jahren voller Planungspicknicks, Führungen, Stammtische und Konzerte Ende 2015 zu Ende. Wir haben die Chance genutzt, um unsere Aktionen und das gesammelte Wissen aus Bestandsaufnahme, Gastbeiträgen und Beispielprojekten in unserer Projektdokumentation zu bündeln. Etwa 250 Seiten voller Informationen, persönlicher Einblicke, kreativer Beiträge und inspirierender Ideen für die Zukunft. Ergänzt um wissenschaftliche Beiträge von der Walcker-Orgel, über den Eiermann-Sendesaal bis zum Olga-Album. Wertvoll für Alle, denen die Villa Berg und ihr Park am Herzen liegt und die auch die Zukunft des Areals mitgestalten wollen.

Die Projektdokumentation „Occupy Villa Berg – Ideen, Wünsche, Bilder und Aktionen 2013 – 2015“ konnte zum Selbstkostenpreis von 30,00 Euro inkl. Versand bis Mitte Dezember 2015 als Druckexemplar bestellt werden, aktuell ist sie nur noch als PDF verfügbar.

Wir wünschen gute Lektüre und danken für Ihr Interesse!

Eine Frage an Ulrich Gohl: Können Sie uns Herkunft und Bedeutung der beiden modernen Plastiken nahe der Villa Berg erläutern?

Hinweis: Diese Texte wurden zuerst veröffentlicht in der Publikation „Im öffentlichen Raum. Kunstwerke und Denkmäler im Stuttgarter Osten“ (Ulrich Gohl, Bd. 10 der Reihe „Hefte zum Stuttgarter Osten“, Verlag im Ziegelhaus, 2010) und uns mit freundlicher Genehmigung des Autors zur Verfügung gestellt.

In der Umgebung der Villa Berg gibt es zwei prägende moderne Plastiken: „Kreisende Adler“ von Fritz Melis und das „Mahnmal“ von Otto Baum.

Fritz Melis: Kreisende Adler

Östlich der Villa Berg in Richtung zu den ehemaligen Fernsehstudios des SWR, steht eine Skulptur, die viele nicht zuordnen können. Es handelt sich um die „Kreisenden Adler“ des Bildhauers Fritz Melis.

Melis wurde 1913 in Berlin-Pankow geboren. Zwischen 1933 und 1936 studierte er an der Akademie Berlin und wurde 1937 freischaffender Künstler. Militärdienst und Kriegsgefangenschaft (1938-46) unterbrachen seine Laufbahn. 1946 kam er nach Stuttgart, hatte Kontakt zu hiesigen Künstlern wie Otto Baum, Ida Kerkovius oder Alfred Lörcher – aber auch zu vielen Architekten, die Melis’ Arbeiten für ihre Bauten schätzten. 1958 erstellte er sich ein Atelierhaus in Bietigheim, wo ihn seine Mitbürger 1968 in den Gemeinderat wählten. Er starb 1982.

Melis’ künstlerischer Schwerpunkt lag auf den Tierdarstellungen, wobei er „das Tier trotz weitgehender Abstraktion (oder deshalb) wesenhaft zu erfassen“ suchte – so Günther Wirth in einem Text von 1983. Nicht selten zerlegte er die Gestalt in Dreiecke, so auch bei der äußerst dynamischen, fünfeinhalb Meter hohen Skulptur aus Kupferblech „Kreisende Adler“. Das für den Süddeutschen Rundfunk geschaffene, 1970 aufgestellte Werk ist heute in keinem sehr guten Zustand: Nähte sind geplatzt, Oberflächen beschädigt.

Otto Baum: Mahnmahl

Otto Baum kam im Jahre 1900 in Leonberg als Bauernsohn zur Welt und wuchs in Vaihingen auf den Fildern auf. Er arbeitete als Schlosser, Matrose, Holzbildhauer und Farbenverkäufer, ehe er von 1924 bis 1927 und von 1930 bis 1934 an der Stuttgarter Kunstakademie studierte. Bald hatte er erste Ausstellungen, schuf bedeutende Bauplastiken, besonders für Gebäude von Paul Bonatz. 1937 wurden seine Werke als „entartet“ aus Museen entfernt, Aufträge blieben aus. Er arbeitete heimlich in seinem Degerlocher Gartenhaus. Von 1946 bis 1965 war er Professor für Bildhauerei an der hiesigen Akademie und erhielt zahlreiche öffentliche Aufträge. 1949 baute er sich in Esslingen sein eigenes Atelierhaus. Ab Ende der 1950er-Jahre wurde Baum auch international anerkannt, blieb aber öffentlichkeitsscheu. In den 1970er-Jahren erkrankte er schwer und nahm sich 1977 das Leben.

Das Mahnmal hieß zunächst offiziell „Ehrenmal für die gefallenen Schüler der Wirtschaftsoberschule“ und wird heute als „Mahnmal“ geführt. Das zehn Meter breite Werk aus gemauertem Muschelkalk schuf der Künstler im Jahre 1960. Auf der Vorderseite ist abstrahiert die durch den Krieg geschundene Kreatur zu erkennen; für die beiden Weltkriege stehen die Ziffern „1914-1918“ und „1939-1945“, dazu kommt die Künstlersignatur. Flammen und Trümmer auf der Rückseite stehen für die materiellen Zerstörungen. Dieses herausragende Werk ist, wohl wegen Absenkung des Sockels, ungefähr in der Mitte auseinandergebrochen. Ein Blick auf die Rückseite ist wegen wuchernder Vegetation fast nicht möglich, außerdem haben hier Sprayer ihr Unwesen getrieben.

Das Mahnmal steht hinter der ehemaligen Wirtschaftsoberschule, der heutigen Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule in der Sickstraße 165 im Raitelsberg. Es ist auch sichtbar vom südöstlichen Ende des Parks der Villa Berg.

 

 

 

Eine Frage an Michael Bott: Können Sie uns die Geschichte der Gartenkunst am Beispiel des Parks der Villa Berg erläutern?

Das Gastbeitrag ist eine Zusammenfassung einer umfassenderen, wissenschaftlichen Beitrags von Michael Bott, der als PDF unten angehängt ist.

Der Park der Villa Berg – Die Geschichte der Gartenkunst
(Michael Bott)

Wie viele andere Kulturgüter, z.B. in Form von Baudenkmälern, gehen historische Gartenanlagen durch die verschiedensten Ursachen im Laufe der Zeit unwiederbringbar verloren, werden sie nicht im Wissen um die Intuition und Idee ihrer Schöpfer gepflegt, die sie einst entstehen ließen. Auch das Land Baden-Württemberg sowie die Landeshauptstadt Stuttgart sind Eigentümer von einst prächtigen Parkanlagen ihrer einstigen Herzöge und Könige, die danach trachteten in Konkurrenz mit ihren europäischen Adelsgenossen standesgemäße, imposante sowie zeitkonforme Schlösser und Parkanlagen zu besitzen.

Da die Villa Berg sowie ihr Park in der letzten Zeit in das öffentliche Interesse gerückt sind, nehme ich diesen Umstand zum Anlass, hier in aller Kürze Grundzüge der Geschichte der Gartenkunst zu erläutern, um damit den Wert der Parkanlage als bewahrenswertes Kulturdenkmal zu unterstreichen und dessen zumindest teilweise Wiederbelebung allen Entscheidungsträgern nahezulegen.

Dabei ist es wichtig, den Wert historischer Gartenanlagen nicht nur an deren Ästhetik festzumachen, sondern auch an dem direkten Zusammenhang zwischen Formgebung und dem jeweilig herrschenden Zeitgeist. Man kann sagen, dass es grundsätzlich von der Renaissance bis zu den Gärten Anfang des 20. Jahrhunderts zwei übergeordnete Gestaltungsmaximen gab:

Die Erste war streng geometrisch ausgerichtet und hat die italienischen Renaissance-Gärten, sowie die französischen Barockgärten geprägt. Die aristotelische Idee, dass der Mensch die schlimmen Zufälligkeiten der Natur korrigieren könne, um ihr die Vollkommenheit, die sie haben sollte und nach der sie ständig strebte, wiederzugeben – gerade Linien, kreisrunde Meere und geometrische Bäume –, diese Idee war Zentralpunkt der Gestaltung französischer Barockgärten. Weiter hatte die Kunst die Natur zu beherrschen. Repräsentant dieser Epoche war König Ludwig, XIV. Um die Gartenanlagen als Gesamtkompositionen in diesem Sinne auszubilden, hatten sich deren Einzelelemente dieser Idee einzugliedern, bzw. unterzuordnen. Diese Einzelelemente waren beispielsweise:

  • Die Wegeführung: streng geradeaus, rechtwinklig, das Wegesystem spiegelbildlich, symmetrisch,
  • Die Pflanzen: streng, auch als geometrische Körper und Kunstwerke geschnitten,
  • Die Pflanzraster/Pflanzschemas: ebenso regelmäßig konzipiert, in Form von Alleen oder streng raumbildenden Hecken,
  • Die natürliche Geländeoberfläche: wurde „geschleift“ und neu geformt, aus Ebenen wurden  Terrassen, Treppen, Balustraden, Rampen,
  • Das Element Wasser: in geometrischen Becken gefasst, über Kaskaden geleitet, in Fontänen in den Himmel geschossen,
  • Parkbegleitende Kleinbauten: beispielsweise Pavillons aus Stein oder Eisen, ebenfalls im geometrischen Stil erbaut.

Die konträr dazu übergeordnete Gestaltungsmaxime fand ihren Ausdruck in den englischen Landschaftsgärten. Die Philosophie Rousseaus „Zurück zur Natur“ war stilprägend und Maxime für diesen Typus der Gartengestaltung. Die Natur selbst diente dabei als Vorbild für die Landschaftsarchitekten, diese konzipierten mit allen Mitteln Gärten, in denen beim Durchwandern verschiedene Sinneseindrücke entstehen sollten, wie beispielsweise

  • Szenerien der Erhabenheit und Größe, Verehrung des Altertums (Griechische oder Römische Tempel),
  • Szenerien der Vergänglichkeit (z.B. durch künstliche Ruinen),
  • Szenerien der Einsamkeit (z.B. Eremitagen mit angestellten Eremiten),
  • Szenerien der Exotik (z.B. Chinesische Pagoden),
  • Szenerien der Naturhaftigkeit (z.B. Grotten, Höhlen, Felswände),
  • Szenerien der Furcht und des Schreckens (z.B. Wolfsgeheul, Kreuze, Marterapparate).

Man spricht bei diesen Gärten ebenfalls von den malerischen oder poetischen Gärten. Ein Maler sollte in diesen Landschaftsgärten Motive finden für seine Malerei, aber auch umgekehrt sollten die Landschaftsarchitekten Motive bekannter Maler in die Landschaft umsetzen. Dasselbe gilt für den Bezug Poesie und Landschaftsgestaltung: Gärten sollten so gestaltet sein, wie sie Poeten in ihren Gedichten beschrieben. Zu der Art, wie die Kompositionselemente des formal-geometrischen Gartens aufgeführt wurden, bildeten die Kompositionselemente des an der Natur orientierten Landschaftsgartens konträr ihre Ausbildungsformen:

  • die Wegeführung weich, organisch geschwungen (oft auch Brezelwege genannt),
  • die Pflanzen und Bäume frei wachsend, geformt von den Einflüssen der Natur, bzw. des Klimas,
  • die Pflanzschemas mit freien pflanzlichen Individuen, gruppiert oder auch einzeln stehend,
  • die Form der Geländeoberfläche mit weich geformten Mulden, Hügeln und Tälern,
  • das Wasser in naturhaft geformten Seen und in Verbindung mit dem Wasser Orte der Ruhe, Einsamkeit, Melancholie oder als murmelnde Bäche, über Kaskaden und runde Kiesel gleitend,
  • parkbegleitende Kleinbauten, welche die oben aufgeführten Sinneseindrücke hervorrufen oder initiieren sollten (Vergänglichkeit, Einsamkeit etc.).

Der naturidealisierende, gemischte Gartenstil des 19. Jahrhunderts – eine Mischform aus beidem

Ab etwa 1820 etablierte sich im Bereich der heutigen Bundesrepublik ein eigener Stil der Gartengestaltung, der so genannte naturidealisierende, gemischte Gartenstil. Dieser wurde maßgeblich durch drei Landschaftsarchitekten geprägt, die auf ihrem Gebiet anerkannte Autoritäten waren:

  • Friedrich Ludwig von Sckell (1750-1823)
  • Hermann, Fürst Pückler-Muskau (1785-1871)
  • Peter Joseph Lenné (1789-1866)

Die Gestaltung dieser Gärten kann in Kürze etwa so umrissen werden: Sie bezieht ihre Art hauptsächlich aus dem englischen Landschaftsgarten, nimmt aber begrenzt Elemente des französischen bzw. italienisch-geometrischen Gartenstils wieder auf. In Bezug auf die Parkgestaltung hieß das meist, dass die Wegeführung und Pflanzschemas in der Nähe von Gebäuden geometrisch konzipiert waren und das Gebäude oder ein Platz in geometrischem Bezug zur Wegeführung stand. Je weiter sich Wege und die eng damit verbundenen Pflanzschemas jedoch von Gebäuden entfernten, desto organischer war ihr Charakter und umso naturhafter wurde das Landschaftsbild gestaltet. Der Begriff „naturidealisierend“ kann so beschrieben werden: Ein Gartenarchitekt, der mit der Gestaltung eines Geländes beauftragt war, sollte dieses nach dem Vorbild der Natur und der Natürlichkeit des Ortes entsprechend aufgreifen und darüberhinaus idealisieren. Mängel des Geländes im Einzelnen oder im Ganzen waren zu beseitigen oder zu verbergen, vorhandene Schönheiten aber herauszustellen und durch eine entsprechende Gestaltung zu würdigen.

Der Park der Villa Berg einst und heute

Nach diesem auf das Wichtigste verkürzten „Ausflug“ in die Geschichte der Gartenkunst nun wieder zurück zu unserem Park der Villa Berg, einst und heute.

Gartenkunst Kurzfassung

Park der Villa Berg, Handkolorierte Flurkarte um 1875 (Karte: Michael Bott)

Gartenkunst Kurzfassung

Plan der Heil- und Pflegeanstalt in Lengerich von 1863 (Peter Joseph Lenné)

(Anmerkung des Autors zum Plan von Peter Joseph Lenné: Wie voran den „naturidealisierenden, gemischten Gartenstil“ beschrieben, erkennt man den äußeren Bereich des Parks der Heil- und Pflegeanstalt Lengerich im Stil der englischen Landschaftsgärten naturhaft gestaltet, Wegeführung und Pflanzschemen weich organisch gerundet, während der zentrale Bereich der Anlage streng geometrisch gestaltet ist mit den Gestaltungselementen Wegeführung, Pflanzschemen, erkennbaren Symmetrie- und Spiegelachsen, sowie ebenflächiger Geländeausformung.)

Vergleicht man den Plan von Lenné (naturidealisierender gemischter Gartenstil) mit dem der Villa Berg um 1875, so erkennt man diesen Stil auf beiden Plänen, im Falle des Parks der Villa Berg in die hiesige Landschaft übertragen bzw. eingepasst, eben in modifizierter Weise, d.h. ein Gemisch aus geometrischer Gestaltung um die Gebäude herum (mit allen Elementen wie zu Beginn aufgeführt) und dann übergehend in eine naturhafte Gestaltung in den darauffolgenden bis peripheren Bereichen.

Vom ehemals weiträumigen, vielgestaltigen und zeittypischen Park (entworfen von Neuner, teilweise Leins) ist heute nur noch ein kleiner, in sich abgeschlossener Bereich relativ unverändert vorhanden, nämlich der Rosengarten mit dessen am höchsten Punkt liegenden Belvedere.

Über dieses, um 1860-1865 von Josef v. Egle entworfene, klassizistische Kleinbauwerk kann man in einem literarischen Werk von 1889 lesen: Im Westpark „begegnen wir einem zierlichen Weinberghause […], das von Hofbaudirektor v. Egle außerhalb des eben erwähnten Sees (Anm. des Autors: Halbmondsee) in dem dortigen Weinberg ausgeführt wurde, am Ende der Achse, die geradlinig durch die ganze Parkanlage läuft. In diesem anmutigen kleinen Bauwerke, das einer fröhlichen Hofgesellschaft zur Unterkunft dienen soll, klingt der Ton aus, der auch in dem Villa-Bauwesen angeschlagen wurde […]“ (Christian Friedrich von Leins, Die Hoflager und Landsitze des Württembergischen Regentenhauses, Stuttgart, 1889).

Das Belvedere (analog zur Villa im kleineren Maßstab) bildet den Kristallisationspunkt einer kleinen geometrischen Gartenanlage mit Symmetrieachse sowie rechteckig geformten Wegen und Blumenbeeten, Terrassen, Treppen und Balustraden und hat auf der unteren Ebene ein kleines Wasserparterre. Analysiert man, aufgrund welcher Veränderungen vom einstigen Charakter nicht mehr viel übrig geblieben ist, kommt man auf folgende Ursachen:

An erster Stelle aufgrund aller eingefügten Bauwerke, die der Villa und dem Park die „Luft nehmen“, der Villa ebenso ihre Priorität und Erhabenheit. Das Zusammenspiel zwischen Wegeführung und Pflanzschemas insgesamt ist entstellt, v.a. durch die Beseitigung von Wegen, bzw. durch Abänderungen der Wegeführung und das Fehlen von einstig vorhandenen Bäumen, bzw. Baumgruppen. Die Vielzahl an den unterschiedlichsten Baumarten, bzw. Varietäten ist in vielen Parkbereichen nicht mehr vorhanden, v.a. im westlichen Bereich beherrscht der Spitzahorn durch Naturverjüngung die Baumlandschaft. Verschiedene „Erlebnisbereiche“ haben sich aufgelöst durch das Fehlen baulicher Gartenelemente oder auch Grünstrukturen. Dies bezieht sich nicht nur auf die gestaltete Parklandschaft, die den Besuchern Europas Gartenkultur erleben ließ, sondern auch auf unsere typisch schwäbische Kulturlandschaft mit ihren einzelnen Komponenten, wie Waldflur, Rebflur oder Streuobstflur, die bewusst in den Park aufgenommen wurden.

Ein Beispiel: Aus den historischen Plänen (Flurkarten und Geometerplänen) geht hervor, dass südlich und südöstlich des Rosengartens ein kleiner Waldbereich, Rebflächen und Obstbäume eng beieinander lagen, somit in enger Abfolge durchlebt und erlebt werden konnten. Das Belvedere war in Rebflächen eingebettet, hatte östlich Waldbäume und westlich blütenreiche Obstwiesen angrenzend. Diese konnte man unter Nutzung der so genannten „Brezelwege“ in Zeiten der Obstblüte oder naschend in Zeiten der Obsternte lustvoll „durchschlendern“. Diesen „Erlebnisbereich“ gibt es so heute nicht mehr.

Mit Sicherheit wäre es eine Illusion, den Park der Villa Berg gänzlich wiederherstellen zu wollen. Schön wäre es jedoch, der Villa zumindest an einer Seite wieder das passende und von Neuner kreierte grüne Ambiente zurückzugeben und es wäre sicher lohnend, sich darüber hinaus Gedanken zu machen, wo diese entschwundenen Erlebnisräume vielfältigster Art – wie beispielhaft angeführt – auch an anderen Stellen wieder zurückgeholt werden könnten.

Michael Bott ist Gartenhistoriker und hat sich u.a. schon mit anderen historischen Parkanlagen in Stuttgart wie dem Kurpark von Bad Cannstatt, dem Lapidarium und der Karlshöhe befasst. In Bad Wildbad hat er sich mit der Rekonstruktion der Kuranlagen beschäftigt. Darüber hinaus ist er Mitautor der Bücher „250.000 Jahre Cannstatter Geschichte“ sowie „Gärten und Parks in Stuttgart“. Den gesamten Beitrag von Michael Bott können Sie als PDF hier nachlesen:

Deborah Brinkschulte (Vagabunden-Führung)

DSC_0957

Auf Einladung von Tanja Krone, Initiatorin des Vagabundenkongresses, hat Occupy Villa Berg im Juni 2014 im Rahmen desselben eine Führung zum Thema Leerstand veranstaltet. Deborah Brinkschulte, Mit-Initiatorin von Occupy Villa Berg, beantwortet die Fragen.

Könntest Du uns, die Führung, die Du angeboten hast, kurz beschreiben?

Die Führung war Teil des Vagabundenkongresses, der vom 7. bis 28. Juni 2014 teilweise im Theater Rampe und teilweise – mit Interventionen, Führungen usw. – verteilt in der Stadt stattfand. Der Vagabundenkongress 2014 war eine Neuauflage des Vagabundenkongress, der 85 Jahre zuvor bereits einmal in Stuttgart stattfand – damals am Killesberg. Er war das größte Treffen von Wohnsitzlosen und Künstlern, die Heimatlosigkeit zum wahren Leben – jenseits bürgerlicher Zwänge – erklärten. Zum aktuellen Kongress hatten Tanja Krone, die Initiatorin, und Wanja Saatkamp, ihre Mitstreiterin, Künstler aus aller Welt geladen, das Theater Rampe wurde deren temporäre Heimat.

Unter dem Titel „Wanderpredigt“ waren Führungen und Spaziergänge Teil des Programms. Die Wanderpredigten waren der Versuch, die Menschen wieder zum Gehen und Entdecken zu motivieren, zum Entdecken der Stadt – ihrer Stadt.

Mein Spaziergang befasste sich mit dem Thema Leerstand und schlängelte sich vom Theater Rampe bis zur Villa Berg durch die Stadtteile Stuttgart-Süd und -Ost. Unsere Stationen auf der Strecke hatten wir mit neonfarbenen Quadraten markiert und damit die Leerstände weithin sichtbar gemacht. An ausgewählten Leerständen – beispielsweise der ehemaligen Kult-Fußballkneipe Libero, einem ehemaligen Kino am Stöckach oder dem gigantischen Teil-Leerstand der EnBW – erläuterten wir die Geschichte der Orte, Gründe für den Leerstand und – wenn vorhanden bzw. bekannt – Zukunftspläne.

An zwei großen Zwischenstationen waren kleine Diskussionsrunden Teil der Führung. An der ersten Unterbrechung diskutierten wir mit den Machern von plentyempty und dem Leerstandsmelder Stuttgart über Probleme, aber auch Chancen der Leerstände. Die zweite Unterbrechung bot die Möglichkeit mit Vertretern aus der Politik ins Gespräch zu kommen und über fehlende Wohnungen und Zweckentfremdungsverbote zu sprechen. Im Park der Villa – am Ende der Führung – fand ein Picknick aus der Reihe „Platz nehmen“ statt, das von den Stadtisten organisiert wurde. Mit der Reihe „Platz nehmen“ wollen die Stadtisten wenig genutzte oder schlecht gestaltete öffentliche Orte der Stadt bespielen und in ein temporäres Wohnzimmer verwandeln. Damit entsteht an diesen Orten Aufenthaltsqualität, die zwar nur von kurzer Dauer ist, aber Potenziale der öffentlichen Räume aufzeigt.

Warum war die Villa Berg das passende Ziel?

Die Villa Berg bot sich als Ziel für die Führung an, weil sie derzeit einer der prominentesten und am besten dokumentierten Leerstände der Stadt ist. Hier konnte gut verdeutlicht werden, wie es um Gebäude bestellt ist, die durch Investoren, ständige Wiederverkäufe und Leerstandsschäden, an Wert verlieren. Dabei steht die Villa Berg natürlich nur exemplarisch für eine Reihe anderer Gebäude, die – wenn auch weniger durch ihre historische Bedeutung, so aber doch zumindest durch ihr Alter – zur Identität der Stadt beitragen oder hätten beitragen können.

Was wolltest Du den Teilnehmern durch die Führung vermitteln?

Die Führung sollte den Teilnehmern ein Gefühl für die Stadt mitgeben, das auch anhand ihrer Gebäude entsteht. Welche Gebäude erzählen welche Geschichte? Welche Lücke hinterlassen sie bei einem Abriss? Welche Geschichte erzählt der Wandel der Gebäude – die Umnutzung, der Abriss, der Ersatz? Welches Gesicht geben Gebäude der Stadt? Und nicht zuletzt: Was erzählen die Gebäude über die Kultur einer Stadt und deren Umgang und Haltung mit ihrer Geschichte?

Wie waren die Reaktionen und Rückmeldungen der Teilnehmer? Was nehmen die Teilnehmer mit?

Viele Teilnehmer, die ja auch aus anderen Städten und Ländern angereist waren, kannten die Villa Berg vorher nicht. Vor allem auf dieses Gebäude bezogen sich dann die Rückmeldungen und Kommentare. Für viele Teilnehmer war es undenkbar, dass ein solches Gebäude sich selbst überlassen wird, vor allem auch für viele Teilnehmer aus weniger reichen Gegenden, in denen der Umgang mit historischer Substanz aber ein anderer ist.