Eine Frage an Raphaela Schütz: Wie blicken Sie als Jugendliche auf Villa Berg und Park im Wandel der Zeit?

2015-10-25 13.04.28

Villa Berg – Im Wandel der Zeit
(Raphaela Schütz)

Einleitung

Ich habe mir das Thema „Villa Berg – Im Wandel der Zeit“ für meine Halbjahresarbeit an der Walddorfschule Silberwald ausgesucht, weil ich finde, dass die schönen Orte in Stuttgart immer mehr verschwinden oder vernachlässigt werden, so z. B. in der Innenstadt, wo anstatt Gebäude zu restaurieren immer lieber abgerissen wird, oder der Bahnhof und der Schlossgarten. Man sieht dies auch in Kleinigkeiten, dass z. B. der Aufgang von der Waldorfschule zur Uhlandshöhe nicht mehr gesäubert wird, oder dass auf die Treppe zwischen Werkstatthaus Ost und Spielplatz das ganze Laub und die Äste der Umgebung geworfen werden, so dass man sie gar nicht mehr benutzen kann.

Eigentlich wollte ich ursprünglich über mehrere Orte schreiben. Aber dann habe ich mich für die Villa Berg entschieden, da mein Lieblingsort der Rosengarten im Park der Villa Berg ist. Außerdem haben wir ein sehr neues Buch über die Villa mit interessanten Fotos gefunden.
Ich selbst wohne im Osten, ca. 30 Minuten zu Fuß von der Villa entfernt. Mein Kindergarten allerdings war ganz nah dran. Schon früher als kleines Kind war ich häufig von meinem Kindergarten aus im Park der Villa Berg. Da sind wir immer durch den Rosengarten gegangen. Und damals war immer Wasser in dem Brunnen, doch dann plötzlich war es weg. Außerdem wohnen Freunde von uns in der Nähe, mit denen wir oft mit ihrem Hund im Park der Villa spazieren gehen. Wir reden immer wieder darüber, dass die Villa und der Park mehr und mehr verfallen: zugenagelte Fenster, überwucherte Steinplatten, Bauzäune, Graffitis, Zerstörungen.

Ich finde es sehr schade, dass dieser schöne Ort so vernachlässigt wird. Wenn man sich dort aufhält, hört man viele Spaziergänger über die Villa und ihren schlechten Zustand reden. Seit Jahren kommen alle paar Monate Zeitungsartikel, in denen steht, dass die Stadt die Villa bald zurückkauft und sie renoviert, so dass sie endlich wieder genutzt werden kann – als was, ist umstritten.

Das Gebäude ist ständigem Wandel ausgesetzt. Das habe ich selbst erlebt. Zu Beginn meiner Arbeit war ich dort, um Fotos zu machen und habe festgestellt, dass das Gebäude und die Umgebung von Pflanzen überwuchert waren. Eine Woche später hatte das Gartenamt die meisten der Pflanzen abgeschnitten, leider auch das Efeu, das an einer Lampe so schön hoch gewachsen war. Noch eine Woche später war der Bauzaun, durch den man zuvor noch auf die Terrasse durchgehen konnte, durch eine Kette so gesichert, dass dies nicht mehr möglich war. Auch ist manchmal Wasser in Brunnenbecken und dann wieder nicht, je nach Wetter.

In der Arbeit schreibe ich über die Geschichte des Baus und die verschiedenen Nutzungen, über die ursprüngliche Architektur und den Park, über den heutigen Zustand, über die Skulpturen und über verschiedene Vorschläge zur Zukunft der Villa Berg. Die Fotos beziehen sich nicht immer auf den geschriebenen Text, sondern erzählen eigenständig die Geschichte der Villa Berg mit ihren Veränderungen im Laufe der Zeit. Dafür war ich häufig vor Ort. Insgesamt sind ca. 400 Fotos entstanden. Auch habe ich bei der Beschäftigung mit dem Thema und mit alten Abbildungen festgestellt, dass viele Statuen verstreut wurden und an anderen Orten wieder auftauchten. Um ihrem Verbleib auf die Spur zu kommen, war ich am Lapidarium, in der Staatsgalerie und im MUSE-O.

Die Villa war nicht so zerstört nach Krieg, dass man sie nicht wieder hätte aufbauen können. Gerne hätte ich sie in ihrem Originalzustand gesehen, vor allem das Innere. Und ich habe mir Gedanken gemacht, wie man die Villa kaufen könnte. Wenn jeder Bürger ein paar Euro geben würde … Aber so einfach ist das ja anscheinend nicht.

Bei der Beschäftigung mit der Geschichte der Villa Berg bin ich immer wieder auf Namen gestoßen, die man in Stuttgart von Straßen, Plätzen oder Gebäuden kennt: Hackländerstraße, Karlstraße, Karlshöhe, Karlsplatz, Leinsweg, Olgastraße, Olgaeck, „Olgäle“, Karl-Olga-Krankenhaus, Werastraße.

An meinem Geburtstag habe ich im Park der Villa Berg eine Rallye veranstaltet. Dazu hatte ich einen Fragebogen mit Fragen zur Villa Berg vorbereitet. So konnte ich ein bisschen auf die Veränderungen dieses schönen Bauwerks aufmerksam machen, und ich hoffe, es hat allen viel Spaß gemacht.

Eigentlich wollte ich gerne einen Film über die Villa Berg drehen, da es beim Filmwinter einen passenden Workshop gegeben hätte. Leider kam dieser mangels Teilnehmer nicht zustande. Daher bin ich bei einem anderen Kurs gelandet. Dort habe ich dann die Ur-Ur-Enkelin des Architekten der Villa Berg Christian Friedrich Leins kennen gelernt. Welch ein Zufall!

[…]

Heutiger Zustand

Der heutige Zustand der Villa ist nicht gut. Sie wirkt verwahrlost. Aus den Steinplatten vor der Villa wachsen viele Pflanzen und schieben die Platten nach oben. Die unteren Fenster der Villa wurden mit Spanplatten zugenagelt und eines der oberen Fenster wurde eingeworfen. Steingeländer wurden durch Metallzäune ersetzt, und es wurde ein Bauzaun um das immer baufälliger werdende Gebäude gezogen.

Graffitis wurden aufgesprüht – erstaunlicherweise aber nur auf den Spanplatten und in zwei Grotten, so, als ob die Sprayer Respekt vor der immer noch schönen Fassade des Bauwerks gehabt hätten. Allerdings gilt das nicht für das Garten-Belvedere/Rosengarten, dort ist im Äußeren und im Inneren des offenen Gebäudes alles voll gesprüht, nur die wunderschöne Holzdecke wurde verschont. Das Belvedere ist das einzige Gebäude, das noch einigermaßen im Originalzustand ist.

Die Nordflügel der Villa Berg wurden nach dem Krieg abgebrochen und dort ein SWR-Gebäude gebaut. Die vier Turmaufsätze der Villa wurden entfernt und es wurde ein Flachdach gebaut. Ebenso sind die vielen, vielen Statuen aus dem Park, an und in der Villa verschwunden (bis auf „Tag“ und „Nacht“ in der Nordfassade und den Nymphenbrunnen an der Ostseite). Fünf davon stehen in der Staatsgalerie, einige im Lapidarium, die Quellnymphe auf dem Pragfriedhof und einiges vergammelt im Obstkeller des Gartenamtes.

Der Park sieht ganz anders aus als früher. Der Halbmondsee wurde stillgelegt, wie alle anderen Brunnen auch. Ein Becken aus den 60iger Jahren hatte bis vorletztes Jahr noch Wasser, mit Fischen drin. Auf Nachfrage beim Gartenamt wurde gesagt, man müsse sparen. Wo früher Springbrunnen waren, sind nur noch leere kaputte Becken. Fast alle zusätzlichen Gebäude im Park sind verschwunden, wie z. B. das Torhäuschen oder die Orangerie. Die Pflanzen im Park und im Gartenbelvedere wachsen nicht mehr in dieser Fülle und Pracht wie früher.
Die später gebauten SWR-Gebäude sind mittlerweile ebenso runtergekommen wie die Villa.

[…]

Wo sind die Skulpturen?

Die einzigen noch vorhandenen Skulpturen an der Villa Berg sind der Nymphenbrunnnen an der Ostseite und „Tag“ und „Nacht“ in der Nordfassade. Viele der unzähligen Skulpturen an und in der Villa und im Park sind zerstört oder einfach verschwunden. Beim Vergleichen alter Abbildungen konnte ich feststellen, dass viele Statuen im Laufe der Zeit an anderen Orten im Park auftauchen, also umgestellt worden sind, z. B. der „Fischerknabe“, der erst im Belvedere stand und dann an einem Teich nahe der Kleinen Villa Berg.

Andere wurden verstreut und tauchen an ganz anderen Orten wieder auf. Es ist doch interessant, was im Leben einer Skulptur so passiert: Manche Skulpturen sind unglaublicherweise im Keller des Gartenamtes gelagert worden, wie die „Drei pausbäckigen Knaben“ von der Südterrasse. Die „Quell-Nymphe“ vom Rosengarten, bei der Wasser aus den Muscheln in ihren Händen heraus floss, wurde 1910 von Franz von Linden gemacht. Sie wurde aber zunächst wegen der Namensähnlichkeit zu dem „Nymphenbrunnen“ von der Ostseite der Villa dem Bildhauer Albert Güldenstein zugeschrieben. Seit den 60iger-Jahren stand sie bis 2007 auf einem Brunnen an der Südseite der Villa. Heute befindet sie sich aus Schutz vor Randalierern auf dem Pragfriedhof neben dem alten Leichenhaus und ist dort ihrer eigentlichen Funktion als Brunnenfigur beraubt.

In der Staatsgalerie in der Rotunde habe ich „Liebe macht blind“ von Donato Bacaglia aus dem Treppenhaus der Villa und vier weitere Statuen aus dem unteren Vestibül gesehen, die wegen des Winters in kleine Häuschen eingepackt sind.

Auch im Lapidarium, einem wunderschönen Ort im Stuttgarter Süden, an dem allerlei Skulpturen aufbewahrt werden, habe ich Skulpturen wieder entdeckt. Leider ist bis Mai geschlossen. Trotzdem konnte ich von außen das „Muckebüble“, das ursprünglich im Belvedere und später auf einer Wiese stand, die „Sandalenbinderin“, „Ingeborg mit dem Falken“, zwei Amphoren und die Lapis-Schale von Olga sehen.

Im Muse-O in Gablenberg soll das „Aschenbrödel“ von den Nordflügeln stehen. Ich habe sie leider nicht gefunden. Die „Jupitergruppe“ aus der Westgrotte wurde erst vor kurzem vom SWR für 50 000 Euro versteigert, da er Geld für seinen Neubau brauchte. Meine Lieblingsstatue ist eigentlich die „Winterstatue“, ehemals im Park, später auf der Südterrasse, die zusammen mit den drei anderen Statuen „Frühling“, „Sommer“, „Herbst“ zerstört wurde. Reste davon sollen im Stadtarchiv lagern, und eine Kopie davon steht in Freienwalde.

[…]

Die Autorin Raphaela Schütz ist 13 Jahre alt und hat sich im Rahmen ihrer Halbjahresarbeit an der Walddorfschule Silberwald mit der Villa Berg auseinandergesetzt. Der Gastbeitrag ist ein Auszug aus der Arbeit, der komplette Originaltext steht als PDF zur Verfügung. Die Arbeit entstand mit gedruckten Bildern und handgeschriebenen Texten und ist im Original in einem Ordner abgelegt. Der Wunsch der Autorin für Villa Berg und Park: „Ich selbst wünsche mir, dass erst einmal der Zerfall gestoppt wird, dass die Brunnen wieder fließen und der Park schöner wird, am liebsten wieder mit Pergolas und Skulpturen, und dass die Villa ein Begegnungsort mit einem schönen Café wird, wie es früher ja schon mal war.“