Chronik

1845-53

In den Jahren 1845-53 erfolgt der Bau der Villa Berg und die Anlage des Parks für das württembergische Kronprinzen- und spätere Königspaar Karl Friedrich Alexander von Württemberg (1823-91), Karl I., und dessen Ehefrau Olga Nikolajewna Romanowa (1822-92), Großfürstin von Russland, als herrschaftliche Sommerresidenz.

Die Ideen für das Landhaus im Stil der italienischen Hochrenaissance auf dem Höllschen Bühl, ehemals Besitz Berger Weinbauern, entwickeln und sammeln die beauftragten Friedrich Wilhelm Hackländer (1816-77), Privatsekretär und Vertrauter des Kronprinzen, und Christian Friedrich Leins (1814-92), Architekt und ab 1858 Professor an der Technischen Hochschule Stuttgart, als Begleiter Karls auf dessen Reisen nach Venedig, Florenz und Rom (1845-46).

Die Anlage des Parks erfolgt durch den Hofgärtner Friedrich Neuner (1817-83). Direkt an die Villa angrenzend entstehen achsensymmetrische Gärten mit Belvedere im Rosengarten bzw. Pagode und Pergolen am Sichelsee im Westen bzw. Skulpturengarten im Süden. Im weiteren Umfeld entspricht die Gestaltung der für diese Zeit typischen englischen Landschaftsgärten.

1846 werden bereits die Orangeriegebäude (im Bereich der heutigen Johann-Friedrich-Cotta-Schule) mit Wohnräumen für das Paar vollendet, das dieses 1849 übergangsweise beziehen wird.

Die bislang auf Verschuldung des Kronprinzen beruhende Finanzierung des Bauprojekts wird erst durch die Heirat Karls I. mit der Tochter des russischen Zaren Nikolaus I. im Jahr 1846 gesichert. Im Gegenzug greift Olga stark in die Planungen mit ein und trägt vor allem zur Ausstattung der Villa entsprechend aktueller Pariser Mode und genuesischer Paläste bei. Die daraus resultierende Pracht von Gebäude und Park wird während der Revolution 1848 stark kritisiert.

Nach der feierlichen Einweihung der Villa 1853 dient diese anlässlich von Besuchen der europäischen Königshäuser als Austragungsort höfischer Feste oder politischer Gespräche. Beispielsweise fand hier 1857 die Entrevue de Stuttgart, ein Treffen des russischen Zaren Alexander II. und dem französischen Kaiser Napoleon III, statt.

1864

Mit der Krönung Karls I. erfolgt eine Überschreibung der Villa auf Olga.

1880

Ab 1880 wird neben der Orangerie nach Plänen von Josef von Egle (1818-99), Hofbaurat und Nachfolger Leins, die sogenannte Kleine Villa errichtet. Auf Veranlassung Königin Olgas entsteht sie auf rund 300 Quadratmetern an die Orangerie angebaut als Wohnraum für die 1871 vom Königspaar adoptierte Nichte Wera Konstantinowna Romanowa (1854-1912) und ihre beiden Kinder, die Zwillinge Elsa (1876-1936) und Olga (1876-1932), samt deren höfischer Begleitung.  Zu Beginn leben diese in der Akademie beim Schloss.

1892-1912

Herzogin Wera von Württemberg erbt anlässlich des Todes ihrer Adoptivmutter Olga Villa und Park und verlegt ihren Wohnsitz von der Kleinen Villa dorthin. Sie wird bis zu ihrem Tod 1912 in der Villa Berg leben und gibt diese anschließend an ihre Töchter weiter.

1913

Die Herzoginnen Elsa und Olga verkaufen das Anwesen an die Stadt Stuttgart mit Wirkung zum 1. Januar 1915 für knapp drei Millionen Mark, teils auf Rentenbasis. Während der Inflation 1923  verfällt die Restschuld der Stadt.

1914-23

Im Besitz der Stadt Stuttgart entstehen 1914 Pläne, im Park die Stuttgarter Messe zu etablieren. Die Villa selbst dient während des Ersten Weltkriegs als Lazarett für Schwerstverletzte.

1925

Ab 1925 erfährt der seit 1915 öffentlich zugängliche Park eine Umgestaltung nach Plänen des Gartenbaudirektors Paul Ehmann zum Stadtpark mit Kinderspielplatz. Gleichzeitig finden innenräumliche Umbauten zugunsten einer Neunutzung statt. Die Westterrasse sowie frühere Remisen und Ställe dienen nun einer gastronomischen Bewirtschaftung. Im Obergeschoss findet die Städtische Gemäldegalerie Platz, das Erdgeschoss kann repräsentativ für Empfänge der Stadt genutzt werden. Die reiche Parkbegrünung wird im direkten Umfeld der Villa zurückgenommen, sodass große Grünflächen mit vereinzelten Baumgruppen entstehen.

1933-45

Während des Nationalsozialismus erfolgen 1936 und 1939 Umwidmungen der Kleinen Villa bzw. benachbarten Orangerie zur (Ober-)Gauführerinnenschule des Bundes deutscher Mädel bzw. zu Turn- und Versammlungsräume derselben.

Im November 1943 brennt die Villa nach Bombenangriffen komplett aus. Die Außenmauern und die Räume im Untergeschoss bleiben erhalten. Die ebenfalls im Sinne des Luftschutzes 1942 als wertvoll eingestuften und ins Schloss Löwenstein ausgelagerten Gemälde  verbrennen mehrheitlich. Aufgrund ihrer exponierten Lage soll die Villa Teil der Luftabwehr mit einer Flakstellung auf dem Dach gewesen sein.

1944 werden auch die Nebengebäude der Villa während Bombardements schwer zerstört, die Parkanlage bleibt weitgehend unbeschädigt.

1948-67

Nach Verhandlungen der Stadt Stuttgart mit dem Süddeutschen Rundfunk gehen Villa und Park im Tausch für die Karlshöhe in den Besitz des SDR über. In der vereinfacht wiederaufgebauten Villa entstehen der Große Sendesaal Egon Eiermanns (1904-70) sowie Produktionsräume.

Bereits 1948 beginnt der SDR ohne rechtsgültige Verträge über den Tauschhandel mit der Stadt bzw. ohne erteilte Baugenehmigung mit den Aufräumarbeiten und anschließenden Bautätigkeiten an der Villa.

Auf einen Unterlassungsbeschluss seitens des Gemeinderats 1949 werden dem SDR Alternativstandorte von den Städten Karlsruhe und Ludwigsburg angeboten, sodass die Stadt Stuttgart letztendlich 1951 in den Vertragsabschluss einwilligt, um zu verhindern, dass der SDR die Stadt verlässt.

Bereits 1948 erklärt sich die Zentrale für den Wiederaufbau der Stadt Stuttgart unter Prof. Dr. Walter Hoss (1900-93) dazu bereit, auf einen rekonstruktiven Wiederaufbau zugunsten einer Nachnutzung zu verzichten. Infolgedessen wird auf die achsensymmetrische Raumordnung verzichtet, der Große Sendesaal bestimmt über zwei Stockwerke hinweg die räumliche Verteilung der Produktions-, Übungs- und Nebenräume. Die erhalten gebliebenen Nordflügel werden abgetragen. An ihrer Stelle werden die neuen Hörfunkstudios des SDR errichtet, welche 1959 vier Jahre nach dem Großen Sendesaal eingeweiht werden können.

Vom Architekten Eiermann, der den Ideenwettbewerb zur Erweiterung des SDRs auf dem Anwesen der Villa gewonnen hatte, trennt man sich noch 1951 gegen Zahlung einer erheblichen Entschädigung. Die veranschlagten Kosten von fünf Millionen Mark drohen bei steigenden Ansprüchen und Entwicklungen bei der Rundfunktechnik auf rund 20 Millionen Mark, dem gesamten Jahresbudget des SDR, zu explodieren. Stattdessen werden die Architekten Rolf Gutbrod (1910-99), Hellmut Weber und Herta-Maria Witzemann (1918-99) mit den Planungen für das Hörfunk- und Fernsehgebäude beauftragt. Die Fertigstellung der Erweiterungsbauten erfolgte 1965.

Die zunehmende Inanspruchnahme des Parks durch den SDR stößt bei der Bevölkerung auf Unmut. Es kommt zu Bürgerprotesten während des Baus des Fernsehgebäudes, dessen Baumasse sich mit fünf Studios sowie ca. 250 Technik- und Werkstatträumen zu zwei Dritteln unter der Erde entwickelt.

Der Bau einer Tiefgarage mit Zugang über die Sickstraße im Bereich des Südgartens ab 1961 führt zu einer zeitgenössischen Umgestaltung im Stil der 60er-Jahre. Ein Kaskadenbrunnen aus seitlich zueinander verspringenden Becken mit bunten Majolika-Fliesen, 1966-67 errichtet, verbindet entlang eines begrünten Hanges die beiden steinernen Terrassenniveaus des Gartens. Auf der unteren Stufe ermöglichen eine flexible Bestuhlung und hohe Beeteinfassungen freie Sitzplatzwahl. Ähnlich der Gestaltung der Schlossanlagen zur Bundesgartenschau 1961, werden Dame- und Schachspielflächen angelegt.

1977

1977 wird der Park Berg im Zuge der Bundesgartenschau an die Unteren Schlossanlagen angeschlossen und somit Bestandteil des heutigen rund acht Kilometer langen Parknetzes Grünes U. Unter der Führung des Landschaftsarchitekten Prof. Hans Luz (*1926) entstehen in Planungspartnerschaft mit Architekten und Bauingenieuren u.a. zwei Fußgängerstege, der Trollinger- und der Rieslingsteg, die die Anbindung Bergs über die Steubenstraße bzw. die Straßenbahngleise und die Neckarstraße übernehmen. In deren Anschluss entwickelt sich der sogenannte Paradiesweg zur Villa Berg, an dem sieben Themengärten – beispielsweise das „Blühende Klassenzimmer“ oder der „Unkrautgarten“ – angegliedert sind.

1991-2001

Das  „Haus des Dokumentarfilms“, gegründet als Europäisches Medienforum, nutzt in den Jahren 1991-2001 die oberen Büroräume der Villa Berg.

2001-02

Im Auftrag des Garten-, Forst- und Friedhofsamt Stuttgart erarbeitet die Landschaftsarchitektin Ingrid Kunder eine Rekonstruktion alter Wege am nordöstlichen Abhang zum Mühlkanal. Die finanziellen Mittel hierfür stammen von der Helmut-Nanz-Stiftung.

2005

Der Südwestrundfunk, seit 1998 die dem SDR nachgefolgte Sendeanstalt, beschließt die Räumlichkeiten der Villa und die Fernsehstudios aus Gründen der Wirtschaftlichkeit aufzugeben. Über die Jahre mangelnd ausgeführte Sanierungsarbeiten und sinkende Auslastung der Räumlichkeiten verursachen zu hohe Nutzungshaltungskosten für den Sender, sodass man sich für einen direkten Anbau an die bestehende Sendezentrale an der Metzstraße  entscheidet.

2007

Die Stuttgarter Häussler-Investmentgruppe erwirbt vom SWR die Villa und Studios. Im Bereich der Funkstudios soll nach Planungen Häusslers exklusiver Wohnungsbau realisiert werden. Für die Villa selbst schwebt dem Investor eine Nachnutzung im Sinne eines Wirtschaftsclubs inklusiver gehobener Gastronomie vor. 2010 muss die Häussler-Gruppe Insolvenz beantragen, sodass seitdem die Projektentwicklungen auf dem Areal ruhen.

2011-13

Ende Dezember 2011 unterzeichnet die Düsseldorfer Investmentgruppe PDI Property Development Investors GmbH notarielle Kaufverträge über die Grundstücke der Villa Berg.

PDI war bereits anlässlich des Verkaufs durch den SWR zugunsten der Häussler-Gruppe an der Immobilie und ihrem Park interessiert. Die Planungen sehen eine Sanierung der inzwischen schwer baufälligen Villa vor, sodass diese für eine kulturelle Nutzung als Mietobjekt gewonnen werden kann. Über 150 Mietwohnungen innerhalb der bestehenden Gebäudekanten der Sendestudios sollen die entsprechend Millionen teure Sanierung refinanzieren.

Die Projektumsetzung seitens PDI ist bislang nicht möglich, da für das vorgegebene Areal keine Wohnbebauung zulässig ist. Der Gemeinderat müsste hierzu eine Änderung des bestehenden Bebauungsplans vornehmen.

Die Stadt Stuttgart beschließt im Juli 2013 auch zukünftig im Bereich der Sendestudios keine Änderung des Bebauungsplans zugunsten einer Wohnbebauung vorzunehmen und selbst einen Rückkauf durchzuführen, nachdem sie im März 2011 noch auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet hatte. Sie möchte den Stuttgarter Bürgern die Parkanlage mit der Villa nach erfolgter Renaturierung des Geländes zurückzugeben und als Denkmal für die Öffentlichkeit sichern. Für eine Parkrandwohnbebauung steht das unmittelbar angrenzende Gelände des bestehenden Betriebshofes an der Sickstraße zur Diskussion.

Die Erstellung der Chronik der Villa Berg und ihres Parks erfolgte auf Grundlage des Wikipedia-Artikels von Gerd Leibrock sowie des Buches „Die Villa und ihr Park: Geschichte und Bilder„, Gohl, Ulrich (Hrsg.), Stuttgart, 2007.

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