SÖS und Linke – Antworten auf unseren Fragenkatalog

Wir haben den Fraktionen im Stuttgarter Gemeinderat am 22. Januar 2014 einen offenen Fragenkatalog zur Villa Berg und ihrem Park zukommen lassen. Hier veröffentlichen wir die Antworten der Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKE – beantwortet von Thomas Adler und Hannes Rockenbauch.

1.1    Stehen Sie langfristig dafür, dass die Villa, die Studios und das komplette Gelände zurückgekauft werden sollen? Wenn nein, welche anderen Wege sind aus Ihrer Sicht denkbar?

Ja, wir stehen dazu, dass die Villa und die ehemaligen Sendestudios komplett in kommunales Eigentum übernommen werden.

1.2    Stehen Sie langfristig dafür, dass die Sendestudios einer Parkerweiterung weichen sollen? Wenn nein, welche Alternativen sehen Sie? Wie stehen Sie zum Vorschlag im Park Wohnungen zu bauen?

Ja, wir stehen dazu, dass

  • die Fernsehstudios im Rahmen der Sanierung Stuttgart 29 abgebrochen und deren frei werdenden Grundflächen renaturiert und dem Park zurückgegeben werden.
  • das Cafe bei den Fernsehstudios sowie der “Gutbrodbau“ erhalten und weiter genutzt werden.
  • die weitere Nutzung des Heizkraftwerks – eventuell in verkleinerter Form – geprüft wird.

Dem Bau von Wohnungen werden wir vor allem aus grundsätzlichen Erwägungen – öffentliches Gut muss öffentliches Gut bleiben, es kann und darf nicht privatisiert werden – aber auch aus Gründen des Stadtklimaschutzes an keiner Stelle des Parks zustimmen. Die Pläne einer Historisierung der Parkanlagen lehnen genau so entscheiden ab. Unsere Parkanlagen dienen der Naherholung für Alt und Jung und nicht der Nostalgiepflege. Sie müssen nur gärtnerisch gepflegt und instand gehalten werden.

2.1  Setzen Sie sich dafür ein, eine Zwischennutzung der Villa oder der Sendestudios zu ermöglichen? Wenn ja, was ist aus Ihrer Sicht möglich und wo liegen die Grenzen?

Eine Zwischennutzung eines Bauteils ist nur dann sinnvoll, wenn sich definitiv herausstellt, dass eine komplette Neuordnung in absehbarer Zeit nicht möglich ist und wenn klargestellt ist, dass die Zwischennutzer in das Neuordnungskonzept mit übernommen werden, bzw. die Neuordnung gemeinsam mit den Zwischennutzern entwickelt wird.

3.1  Sehen Sie Möglichkeiten, den Verfall zu stoppen?

Natürlich, „Eigentum verpflichtet“! Darüber hinaus ist der Eigentümer (nicht der Nutzer) eines Kulturdenkmals (in unseren Fall die Villa und der „Gutbrodbau“) nach Denkmalschutzgesetz verpflichtet dieses zu erhalten. Im Gegenzug kann dieser eine finanzielle Unterstützung aus den Mitteln des Denkmalschutzes beanspruchen.

Baubürgermeister Hahn, der Chef des unteren Denkmalschutzes, hat dafür Sorge zu tragen, dass der Eigentümer seinen Verpflichtungen wirksam nachkommt. Nach Bedarf (in unserem Fall ist der gegeben) sind umgehend mit dem Denkmalschutz abgestimmte, die Bausubstanz erhaltende bzw. sichernde Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Dazu gehört im Falle der Villa ein wirksamer Feuchteschutz an Dächern und Fenstern, sowie weitgehende Sicherungsarbeiten an den Fassaden, den Außentreppen und Terrassen. Auch eine Beheizung des Gebäudes  in den Wintermonaten wird sich nicht vermeiden lassen.

Natürlich müssen dem auch die Politik, der OB, der Gemeinderat, die Fraktionen Nachdruck verleihen.

3.2  Sollen verantwortliche Personen oder Unternehmen aus Ihrer Sicht in die Verantwortung genommen werden? Wenn ja, wer und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht?

[Mit Frage 3.1 beantwortet]

3.3  Was werden Sie tun, dass sich solche Entwicklungen künftig nicht wiederholen?

Entwicklungen wie die um und mit der Villa lassen sich nur vermeiden, wenn die politische Mehrheit in Stuttgart ihre auf Investoren fixierte Stadtentwicklungspolitik aufgibt und sich auf einen am Gemeinwohl, dem Erhalt und Ausbau der Kommune und nicht zuletzt der ökologischen Nachhaltigkeit orientierten Entwicklungsweg begibt.

Ein Paradigamenwechsel, der der Stuttgarter Zivilgesellschaft noch viel Zeit, Kraft und Geduld abverlangen wird.

Ohne eine selbsttätige Bürgerschaft allerdings, die das Recht auf Stadt als einen emanzipatorischen Prozess begreift und lebt, die die Stadtpolitik nicht mehr der Verwaltung, den Parteien und den wirtschaftlich Mächtigen überlässt, werden wir wohl kaum dahin gelangen.

Deshalb ist es für uns nur folgerichtig, wenn wir die jeweilige Ausgestaltung eines gesellschaftlichen oder eines gebauten Raumes, als auch des dazu notwendigen kommunikativen Aushandlungs-Prozesses, der kollektiven Weisheit einer interessierten Bürgerschaft anvertrauen wollen. D. h., dass wir keine Ideen in den Ring werfen werden, die diesem vorgreifen. Das vor allem im Vorfeld von Wahlen beliebte Spiel „wer bietet mehr?“ überlassen wir gerne allen anderen. Außerdem: Es liegen ja bereits eine Menge interessanter Vorschläge auf dem Tisch, da scheint es unseres Ermessens eher noch an motivierten Selbstnutzern bzw. Gruppen interessierter Nutzungsträger zu mangeln, wofür eine stadtweite Werbekampagne angebracht wäre.

Zwei Anmerkungen sind uns an dieser Stelle trotzdem wichtig:

  • Einmal erscheint es uns zwingend die einzelnen Bausteine, sprich die Nutzung der Villa, des „Gutbrodbaus“ und des Parks immer auch im Zusammenhang und nicht von einander getrennt also als ein Gesamtprojekt zu begreifen, und
  • Zweitens dieses immer unter den Gesichtspunkt einer bürgerschaftlich getragenen, vielfältigen, den Zielen einer solidarischen und sozialen Ökonomie verpflichteten Entwicklung, die einzelwirtschaftliche Nutzungen selbstredend nicht ausschließt, zu kommunizieren.

Dabei: Es scheint im Vorfeld auch schon klar, wir werden bei einem solchen Vorhaben in der Größe und Komplexität wohl kaum auf eine wohlmeinende, logistische, administrative oder finanzielle Hilfe kommunaler Instanzen verzichten können oder wollen.

3.4  Welchen Umgang mit geschützter, äußerer Hülle der Villa Berg und dem ebenfalls geschützten Sendesaal schlagen Sie vor?

[Mit Frage 3.1 beantwortet]

4.1  Was kann die Arbeit der Initiative aus Ihrer Sicht zum Fortgang des Projekts beitragen?

[Mit Frage 3.3 beantwortet]

4.2  Wie können die BürgerInnen bei der zukünftigen Entwicklung des Gebiets beteiligt werden und mitwirken können?

[Mit Frage 3.3 beantwortet]

5.1  Sollte der Rückkauf aus Ihrer Sicht teilweise oder vollständig refinanziert werden? Wenn ja, welche Modelle sind denkbar?

Es wäre ein Grundfehler, bürgerschaftliche Projekte von vornherein auf eine Refinanzierung festzulegen. Das bedeutet nicht, dass die einzelnen Projekte und Initiativen nicht angehalten sind, sich selbst zu reproduzieren. Vorsetzung für ein solches Modell allerdings ist, dass alle Grundstückkosten als auch die Kosten für den Erhalt der baulich/technischen Substanz bei der Berechung von Nutzungsentgelten außen vor bleiben, bzw. diese im Sinne der Förderung einer öffentlichen, soziokulturellen Wohlfahrt von der Kommune vorgehalten und finanziert werden.

5.2  In welchem Maß ist aus Ihrer Sicht eine öffentliche Förderung des laufenden Betriebs möglich?

[Mit Frage 5.1 beantwortet]

6.1  Angenommen, es gelingt der Stadt, das Areal vom Investor zurückzukaufen. Wie sieht das von Ihnen präferierte Nutzungskonzept dann konkret aus?

[Mit Frage 3.3 beantwortet]

7.1  Was halten Sie von Beispielen für bürgerschaftliche und selbstorganisierte Projekte wie z.B. z.B. der Bürgerpark Bremen, das Lingnerschloss Dresden, die Seidlvilla München, die Bewegung „Komm in die Gänge“ in Hamburg oder der Bürgerbahnhof Leutkirch?

Wie bereits zuvor dargestellt, spricht aus unserer Sicht überhaupt nichts gegen bürgerschaftlich getragene, selbst organisierte, selbst verantwortete und selbstfinanzierte Formen der Trägerschaft gesellschaftlicher Projekte. Im Gegenteil: Diese sollten immer und überall vorrangig ermuntert, unterstützt und gefördert werden. Vorausgesetzt, sie sehen sich dauerhaft der Idee einer gemeinwirtschaftlichen Orientierung sowie einer solidarischen und sozialen Ökonomie verpflichtet.

7.2  Sind diese aus Ihrer Sicht auf die Villa Berg (ggf. und die Sendestudios) übertragbar?

[Mit Frage 7.1 beantwortet]