Eine Frage an Frau Dr. Höper: Was erzählt das Olga-Album über das Leben in der Villa Berg?

»Der feenhafte Wohnsitz« (Corinna Höper)

Die Villa Berg in den Alben von Olga Nikolajewna und Eveline von Massenbach

»Und der feenhafte Wohnsitz in dem sie [Olga] lebt mit einem Horizont von Hügeln, der ihn umgibt, gleicht einem Mittelpunkt des Friedens, des Lichtes und des Wohlbefindens, die von ihr auszuströmen scheinen.« – Mit diesen Worten beschrieb der russische Dichter Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew (1803–1873) bei seinem Besuch 1859 die Villa Berg, einen der schönsten Bauten Stuttgarts, einst errichtet für Olga Nikolajewna (1822–1892), Großfürstin von Russland, und Kronprinz Karl von Württemberg (1823–1891). Sie verlobten sich im Januar 1846 in Palermo, die Hochzeit fand am 13. Juli im damaligen St. Petersburg statt und am 23. September zog das Kronprinzenpaar feierlich in Stuttgart ein. Bei ihrer Ankunft waren bereits zwei Gebäude im Bau, in denen die Jungvermählten wohnen sollten: Wilhelm I. (1781–1864) hatte Ludwig Friedrich Gaab (1800–1869) 1844 beauftragt, am vornehmen Schlossplatz das Kronprinzenpalais zu errichten. Kronprinz Karl selbst, inspiriert von einer Reise nach Italien, hatte indessen begonnen, 1845 durch Christian Friedrich Leins (1814–1892) vor den Toren der Stadt oberhalb des Weilers Berg einen Landsitz bauen zu lassen. Doch gingen bis zur Fertigstellung noch einige Jahre ins Land, daher bezog das Paar zunächst eine Interimswohnung im Neuen Schloss in Stuttgart. Johann Michael von Knapp (1791–1861) richtete im östlichen Teil des Stadtflügels zur Planie die Wohnungen ein, im Erdgeschoss für Karl, im ersten Obergeschoss für Olga. Ab dem 2. Dezember 1854 residierten sie im Kronprinzenpalais. Nach dem Tod König Wilhelms I. am 25. Juni 1864 kehrte das neue Königspaar Karl und Olga zurück ins Neue Schloss, zunächst in die Räume, die es bereits 1846 bewohnt hatte. Hofbaumeister Joseph von Egle (1818–1899) richtete die Wohn- und Empfangsräume der Majestäten ein, die schließlich am 17. Dezember 1865 bezogen werden konnten.

Abb. 1 Pieter Francis Peters (1818–1903) »Esquisse de l‘ Orangerie et du raisin de la Villa de S. S. A. A. I. & R.«, 1848 Orangerie und Weinberg der Villa Berg »Massenbach-Album«, Blatt 8; Landesmuseum Württemberg

Abb. 1
Pieter Francis Peters (1818–1903)
»Esquisse de l‘ Orangerie et du raisin de la Villa de S. S. A. A. I. & R.«, 1848
Orangerie und Weinberg der Villa Berg
»Massenbach-Album«, Blatt 8; Landesmuseum Württemberg

Zwar existieren einige wenige zeitgenössische Beschreibungen von diesen Räumlichkeiten – etwa von Karl Büchele in seinem Führer »Stuttgart und seine Umgebungen für Einheimische und Fremde« von 1858 –, doch sind die Räume selbst sowie der größte Teil der Ausstattung heute verloren. Bildliche Überlieferungen hingegen finden sich im sogenannten »Olga-Album«, das aus dem Besitz der ehemaligen Königlichen Familie von Württemberg stammt, 1958 von den »Freunden der Staatsgalerie Stuttgart« erworben wurde und als deren Leihgabe in der Graphischen Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart aufbewahrt wird. Insgesamt 86 Aquarelle und Gouachen mit Innenansichten von Wohn- und Repräsentationsräumen hat Olga im Lauf ihres Lebens gesammelt und so die verschiedenen Orte dokumentiert, an denen sie mit ihrem Mann und ihrer Adoptivtochter Wera (1854–1912) in Stuttgart wie anderswo lebte. Die zeitliche Spannweite reicht von einem Hotelzimmer in Florenz 1846, in dem Olga auf der Rückreise nach der Verlobung Station machte, bis hin zum Sterbezimmer von Karl (6. Oktober 1891) im Neuen Schloss. Die meisten der Blätter sind von den beteiligten Künstlern signiert und datiert, alle sind auf Untersatzkartons aufgezogen, auf denen Olga selbst viele Benennungen der Räumlichkeiten überwiegend in Französisch, der Hofsprache, niedergeschrieben hat. Anlässlich der Ausstellung »Im Glanz der Zaren. Die Romanows, Württemberg und Europa«, 2013/14, konnte das Landesmuseum Württemberg ein weiteres Album erwerben und erstmalig ausstellen, in dem die seit 1851 in Diensten Olgas stehende Hofdame Eveline von Massenbach (1830–1904) 45 Darstellungen, etliche von ihr selbst gezeichnet, gesammelt hat, darunter auch zehn der Villa Berg, die zum Teil Kopien nach Blättern des »Olga-Albums« sind.

Abb. 2 Pieter Francis Peters (1818–1903) »Terrasse à la Villa de S. S. A. A. I. e R. «, 1855 Terrasse der Villa Berg »Massenbach-Album«, Blatt 15; Landesmuseum Württemberg

Abb. 2
Pieter Francis Peters (1818–1903)
»Terrasse à la Villa de S. S. A. A. I. e R. «, 1855
Terrasse der Villa Berg
»Massenbach-Album«, Blatt 15; Landesmuseum Württemberg

Außerdem finden sich dort zwei atmosphärische Blicke in die landschaftliche Umgebung der Villa Berg (Abb. 1–2), jeweils gezeichnet von dem aus dem niederländischen Nijmegen stammenden Maler Pieter Francis Peters (1818–1903), der seit 1845 in Stuttgart lebte und einer der Lieblingskünstler Olgas war – in ihrem Tagebuch nennt Eveline ihn liebevoll »unsern alten Maler Peters«. Letzteres, das sie von 1851 bis 1866 führte, vermittelt neben Olgas eigenen Aufzeichnungen, niedergeschrieben unter dem Titel »Traum der Jugend goldner Stern«, aufschlussreiche Eindrücke der damaligen Zeit.

Abb. 3 Johann Caspar Obach (1807–1865) »Cabinet d S. A. R. Prince Royal Charles de Württemberg à l' Orangerie Berg«, um 1850 Kabinett von Karl in der Orangerie Berg »Olga-Album«, Blatt 46; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 3
Johann Caspar Obach (1807–1865)
»Cabinet d S. A. R. Prince Royal Charles de Württemberg à l‘ Orangerie Berg«, um 1850
Kabinett von Karl in der Orangerie Berg
»Olga-Album«, Blatt 46; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 4 Johann Caspar Obach (1807–1865) »Cabinet de S. A. I. Mme. La Princesse Royale Olga de Württemberg, à l' Orangerie Berg«, um 1850 Kabinett von Olga in der Orangerie Berg »Olga-Album«, Blatt 48; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 4
Johann Caspar Obach (1807–1865)
»Cabinet de S. A. I. Mme. La Princesse Royale Olga de Württemberg, à l‘ Orangerie Berg«, um 1850
Kabinett von Olga in der Orangerie Berg
»Olga-Album«, Blatt 48; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Rund fünfundzwanzig der Darstellungen im »Olga-Album« zeigen die Villa Berg, errichtet 1845 bis 1853 als erster Neorenaissancebau in Stuttgart nach Plänen des Architekten Christian Friedrich Leins (1814–1892) und mit Pavillons, Terrassen und Pergolen versehen. Die Anlage des Parks erfolgte durch Hofgärtner Friedrich Neuner (1817–1883) nach Ideen von Friedrich Wilhelm Hackländer (1816–1877). 1848 bereits war die Orangerie, einer der ersten Glas-Eisen-Bauten in Deutschland, fertig, die von Karl und Olga zwischenzeitlich als Sommersitz genutzt wurde. Olga selbst berichtete in Briefen an ihre Brüder vom Fortgang der Bauarbeiten, so an Großfürst Michael (1832–1909) noch aus Palermo am 22. Februar 1846: »Ich hoffe, dass Papa es Euch erlauben wird zu mir nach Stuttgart zu reisen. Wir werden da eine Villa besitzen, die Karl ›Villa Olga‹ genannt hat, und dort werdet Ihr bei mir wohnen«; an Großfürst Konstantin (1827–1892), Stuttgart, 13. Mai 1847: »Wir haben hier wunderschönes Wetter, es ist ein Sommer ohne Herbst: Alles blüht und duftet! Mit unserer Villa geht es nur sehr langsam voran, aber die Orangerie wird in einem Monat fertig gebaut sein; die Wege werden wie auf Elagin mit rotem Sand gestreut.« Johann Caspar Obach (1807–1865), der seit 1825 an der Stuttgarter Lithographischen Anstalt lehrte, dokumentierte um 1850 die Kabinette von Kronprinz und -prinzessin (Abb. 3–4) sowie den Speisesaal (Abb. 5) in der Orangerie.

Abb. 5 Johann Caspar Obach (1807–1865) »Salle à manger de S. A. R. Prince Royal Charles de Württemberg, et de S. A. I. Mme. La Princesse Royale Olga de Württemberg à l' Orangerie Berg«, um 1850 Speisesaal von Karl und Olga in der Orangerie Berg »Olga-Album«, Blatt 47; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 5
Johann Caspar Obach (1807–1865)
»Salle à manger de S. A. R. Prince Royal Charles de Württemberg, et de S. A. I. Mme. La Princesse Royale Olga de Württemberg à l‘ Orangerie Berg«, um 1850
Speisesaal von Karl und Olga in der Orangerie Berg
»Olga-Album«, Blatt 47; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

»Dem Rosenstein gegenüber erhebt sich eine der schönsten und reizendsten Schöpfungen der Neuzeit, die Villa Sr. K. Hoh. des Kronprinzen Carl, im edelsten Renaissancestyl von Leins (1846 begonnen, den 29. Oct. 1853 eingeweiht) erbaut«, berichtete Karl Büchele 1858. Schon zuvor beschrieb Friedrich Müller, der von 1856 bis 1858 Kustos des Königlichen Kupferstichkabinetts Stuttgart war, bereits 1851 die noch im Bau befindlichen Räumlichkeiten: »Die Wohnung des Kronprinzen liegt gegen Süden und besteht, außer einem Vorsaal, der sein Licht von oben erhält […] in einer Reihe von fünf in einander gehenden großen Zimmern, während die Gemächer der Kronprinzessin gegen Osten und Norden liegen und hier zwei Enfiladen von sieben Zimmern, Garderobe, Durchgangscabinette etc. nicht mitgerechnet, bilden. Die Ausstattung dieser Wohnräume ist durchaus einfach gehalten. Die Böden sind von Eichenholz, die Thüren und Täfelungen lackirt.«

Anlässlich des Besuchs von Olgas Mutter, Zarin Alexandra (1798–1860), im Oktober 1956 vermeldete das »Kunstblatt«: »Als die Kaiserin von Rußland kaum auf diesem reizenden Landsitz ihrer erlauchten Tochter, unserer Frau Kronprinzessin angelangt war, telegraphierte sie in der Freude über den herrlichen Bau und dessen schöne Situation sofort an den Kaiser nach Petersburg: ›Olga wohnt himmlisch!‹ – Auch S. M. der König von Preußen, der den Erbauer zu sich entbieten ließ und die ganze Einrichtung in dessen Begleitung in Augenschein nahm, sprach sich wiederholt in den gnädigsten Ausdrücken der Anerkennung und des ehrenvollsten Lobes aus.«

Abb. 6 Adolf Charlemagne (1826–1901) »Laubgang auf der grossen Villa Berg«, 1857 »Olga-Album«, Blatt 53; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 6
Adolf Charlemagne (1826–1901)
»Laubgang auf der grossen Villa Berg«, 1857
»Olga-Album«, Blatt 53; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Besonders für ihre Laubengänge war die Villa berühmt, bei denen nach der Beschreibung Friedrich Müllers »am Mittelbau eine die ganze Terrassenbreite einnehmende, von vier jonischen Säulen getragene Pergola (Laube) vorspringt. Reich geschmückte Tragbalken laufen über die Säulen weg, und ein niedliches Gitterwerk füllt die Zwischenräume des Laubdachs aus, das durch amerikanische Reben, die sich um die Säulen schlingen gebildet wird.« Gezeichnet wurden sie von Adolf Charlemagne (Adolf Jossifowitsch) (1826–1901), der im damaligen St. Petersburg lebte und Stuttgart 1857 besuchte (Abb. 6). Im selben Jahr fand in der Villa Berg vom 25. bis 28. September auf Anregung des russischen Außenministers Alexander Michailowitsch Gortschakow (1798–1883), einem Vertrauten Olgas, das Treffen zwischen Napoleon III. und dem russischen Zar Alexander II. (1818–1881) statt, die sogenannte »Entrevue de Stuttgart«.

Abb. 7 Johann Caspar Obach (1807–1865) »Bibliothèque à la grande Villa Berg«, 1855 Bibliothek in der großen Villa Berg »Olga-Album«, Blatt 56; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 7
Johann Caspar Obach (1807–1865)
»Bibliothèque à la grande Villa Berg«, 1855
Bibliothek in der großen Villa Berg
»Olga-Album«, Blatt 56; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 8 Johann Caspar Obach (1807–1865) »Vestibule à la grande Villa, Berg«, 1855  Vestibül in der großen Villa Berg »Olga-Album«, Blatt 55; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 8
Johann Caspar Obach (1807–1865)
»Vestibule à la grande Villa, Berg«, 1855
Vestibül in der großen Villa Berg
»Olga-Album«, Blatt 55; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 9 Pieter Francis Peters (1818–1903) »Escalier à la grande Villa Berg«, 1855 Treppe in der großen Villa Berg »Olga-Album«, Blatt 54; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 9
Pieter Francis Peters (1818–1903)
»Escalier à la grande Villa Berg«, 1855
Treppe in der großen Villa Berg
»Olga-Album«, Blatt 54; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 10 Franz Heinrich (1802–1890) »Salle de bal à la grande Villa Berg«, 1855 Ballsaal in der großen Villa Berg »Olga-Album«, Blatt 58; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 10
Franz Heinrich (1802–1890)
»Salle de bal à la grande Villa Berg«, 1855
Ballsaal in der großen Villa Berg
»Olga-Album«, Blatt 58; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Schon zwei Jahre zuvor hatten mehrere Künstler des »Olga-Albums« im Jahr 1855 verschiedene Innenräume der Villa Berg in ihren Aquarellen und Gouachen dokumentiert. Die Bibliothek, nach Friedrich Müller »ein im altenglischen Geschmack angeordnetes Gemach […] mit den vielen herabhängenden Zapfen versehen, die in den Sälen der alten englischen Landsitze für diese Stylart so charakteristisch sind« (Abb. 7), sowie das »luftige, geräumige und hohe Vestibule« zeichnete Johann Caspar Obach (Abb. 8), das »weite, geräumige Treppenhaus« mit seinem »wahrhaft poetischen Eindruck« der hochmodernen Glas-Eisen-Konstruktion Pieter Francis Peters (Abb. 9). Prunkstück der Villa war der zweigeschossige Ballsaal, dessen Darstellung von Franz Heinrich (1802–1890) stammt, der in Wien lebend Stuttgart immer wieder besuchte (Abb. 10). Friedrich Müller sah den Saal noch im Entstehen und berichtete: »Die reiche Täfelung im großen Deckenmittelfeld, sowie in den Plafonds der zwei Bogen, erhöht durch bunte Färbung und vielfach vergoldetes Ornament, der Glanz der Stuckbekleidung der Wände und die zahlreichen kleineren Arrangements an Thüren, Kaminspiegeln usw., in denen der Renaissancestyl seinen Geschmack und seinen Reichthum an Erfindung voll entfalten kann, werden diesen Saal zum prachtvollsten im Haus machen.«

Abb. 11 Johann Caspar Obach (1807–1865) »Corridor menant aux appartements de SS. MM. Le Roi Charles et La Reine Olga de Württemberg à la grande Villa Berg«, 1855 Korridor zu den Gemächern von Karl und Olga in der großen Villa Berg »Olga-Album«, Blatt 62; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 11
Johann Caspar Obach (1807–1865)
»Corridor menant aux appartements de SS. MM. Le Roi Charles et La Reine Olga de Württemberg à la grande Villa Berg«, 1855
Korridor zu den Gemächern von Karl und Olga in der großen Villa Berg
»Olga-Album«, Blatt 62; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 12 Franz Heinrich (1802–1890) »Salle à manger à la grande Villa Berg«, 1855 Speisesaal in der großen Villa Berg »Olga-Album«, Blatt 59; Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie Stuttgart

Abb. 12
Franz Heinrich (1802–1890)
»Salle à manger à la grande Villa Berg«, 1855
Speisesaal in der großen Villa Berg
»Olga-Album«, Blatt 59; Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie Stuttgart

Den oberen Korridor, der zu Gemächern von Karl und Olga führte, bildete wiederum Johann Caspar Obach ab (Abb. 11), die Beschreibung von Friedrich Müller lautet: »An das Austrittsvestibüle, das von einer Kuppel mit Oberlicht bedeckt ist und durch eine schön eingerahmte Durchsichtsöffnung den Ueberblick über den Tanzsaal von oben herab erlaubt, reihen sich rechts und links den Gängen entsprechend reich cassettierte Tonnengewölbe und weiter an den beiden Enden achteckige überwölbte Vorplätze, von denen der zur Linken zu den Gemächern des Kronprinzen, der andere rechts zu denen der Kronprinzessin führt. Diese achteckigen Vorplätze gehören zu dem Zierlichsten, was die Villa darbietet.« Prachtvoll war auch der komplett mit persischen Teppichen ausgelegte sowie mit Vasen aus Malachit und vergoldetem Porzellan geschmückte Speisesaal, der in einer Darstellung von Franz Heinrich überliefert ist (Abb. 12).

Abb. 13 Albert Kappis (1836–1914) »Cabinet de S. M. La Reine Olga de Württemberg à la grande Villa Berg«, 1858 Kabinett von Olga in der großen Villa Berg »Olga-Album«, Blatt 64; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 13
Albert Kappis (1836–1914)
»Cabinet de S. M. La Reine Olga de Württemberg à la grande Villa Berg«, 1858
Kabinett von Olga in der großen Villa Berg
»Olga-Album«, Blatt 64; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 14 Pieter Francis Peters (1818–1903) »Chambre à coucher de SS. MM. Le Roi Charles et La Reine Olga de Württemberg à la grande Villa«, 1855 Schlafzimmer von Karl und Olga in der großen Villa Berg »Olga-Album«, Blatt 65; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 14
Pieter Francis Peters (1818–1903)
»Chambre à coucher de SS. MM. Le Roi Charles et La Reine Olga de Württemberg à la grande Villa«, 1855
Schlafzimmer von Karl und Olga in der großen Villa Berg
»Olga-Album«, Blatt 65; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Im ganzen Gebäude waren große Fenster vorhanden, wie sie in der Gouache von Albert Kappis (1836–1914), Absolvent der Stuttgarter Königlichen Kunstschule und später ab 1880 dort Professor für Landschaftsmalerei, im Kabinett Olgas zu sehen sind (Abb. 13): »An den Fenstern und Altanthüren besteht jeder Flügel aus einem Stück Glas, so daß in der Regel mit dem obern Querstück drei Gläser je ein Fenster ausfüllen, wir mehrmals aber auch die ganze Fensteröffnung durch ein einziges Glas geschlossen finden. Die solide Pracht, die in diesen großen Gläsern liegt, ist gerade hier doppelt wohlberechnet, weil dadurch die Aussicht aus jedem Fenster ein für sich abgeschlossenes, nicht durch Sprossenwerk unterbrochenes und durchkreuztes, reizendes Gemälde bildet. Es sollen diese kostbaren Scheiben ein Geschenk des Czars sein.« Die großen Fenster finden sich gleichermaßen im Schlafzimmer der Majestäten in der Darstellung von Pieter Francis Peters wieder (Abb. 14).

Abb. 15 Carl von Kurtz (1817–1887) »Chambre à coucher de Véra à la petite Villa«, 1880 Schlafzimmer von Wera in der kleinen Villa Berg »Olga-Album«, Blatt 67; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 15
Carl von Kurtz (1817–1887)
»Chambre à coucher de Véra à la petite Villa«, 1880
Schlafzimmer von Wera in der kleinen Villa Berg
»Olga-Album«, Blatt 67; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 16 Robert Stieler (1847–1908) »Salle à manger de Véra à la petite Villa«, 1887 Speisezimmer von Wera in der kleinen Villa Berg »Olga-Album«, Blatt 69; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 16
Robert Stieler (1847–1908)
»Salle à manger de Véra à la petite Villa«, 1887
Speisezimmer von Wera in der kleinen Villa Berg
»Olga-Album«, Blatt 69; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Olgas und Karls Adoptivtochter Wera (1854–1912) heiratete am 8. Mai 1874 Wilhelm Eugen IV. (1846–1877), und das Paar bezog Räumlichkeiten in der Akademie (der ehemaligen Hohen Carlsschule). Wilhelm Eugen war im 2. Westfälischen Husarenregiment Nr. 11 in Düsseldorf stationiert und starb dort am 25. Januar 1877. Mit ihren Töchtern, den Zwillingsschwestern Elsa (1876–1936) und Olga (1876–1932), bezog Wera 1880 ein von Joseph von Egle bei der Orangerie erbautes Nebengebäude, die sogenannte »Kleine Villa Berg«: Carl von Kurtz (1817–1887), bereits ab 1848 Professor für Freihandzeichnen am Polytechnikum in Stuttgart, Adolph Treidler (1846–1905), ebenfalls dort ab 1888 Lehrer, sowie Robert Stieler (1847–1908), Kunstprofessor an der Technischen Hochschule Stuttgart, schufen Ansichten der Innenräume, wie das Schlaf- und Speisezimmer Weras (Abb. 15–16) und das Rauchzimmer »mit den Möbeln des Herzogs Eugen, aus seiner früheren Wohnung der Akademie Stuttgart« (Abb. 17).

Abb. 17 Adolph Treidler (1846–1905) »Rauch-Zimmer, im neuen Anbau der kleinen Villa, mit den Möbeln des Herzogs Eugen, aus seiner früheren Wohnung der Akademie Stuttgart«, 1885 »Olga-Album«, Blatt 70; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Abb. 17
Adolph Treidler (1846–1905)
»Rauch-Zimmer, im neuen Anbau der kleinen Villa, mit den Möbeln des Herzogs Eugen, aus seiner früheren Wohnung der Akademie Stuttgart«, 1885
»Olga-Album«, Blatt 70; Staatsgalerie Stuttgart (Leihgabe der Freunde der Staatsgalerie)

Friedrich Müller beendete 1851 seinen Aufsatz »Schildereien aus der Heimat. Die Villa Sr. K. Hoh. des Kronprinzen von Württemberg bei Stuttgart« wie folgt: »Entzückt von den vielen Eindrücken des Schönen, die in uns erweckt wurden, und die wir dankend mit fortnehmen, scheiden wir von dem prachtvollen Bau, nicht ohne uns zu erlauben, dem Baumeister und den dabei betheiligten Künstlern den Zoll bewundernder Anerkennung öffentlich zu entrichten. […] Hier lassen wir alle die großen und reizenden, mannigfaltigen und bunten Bilder, die heute an unseren Augen vorübergingen, noch einmal durch unsere so vielseitig poetisch angeregte Seele ziehen und scheiden endlich von dem mit so vielen Schätzen der Natur und Kunst in reichem Maße ausgestatteten Sommer-Aufenthalte unseres hohen kronprinzlichen Paares mit dem lebhaften Wunsche: es möchte Jedem unserer geneigten Leser der hohe Genuß eines Besuches auf dieser herrlichen Villa zu Theil werden!«

Theodor Griesinger befand 1866: »Sie erinnert nicht an den Orient [wie die Wilhelma], sondern an Rom oder Genua, und dürfte sowohl in Beziehung auf adeliches Aussehen dagegen, als auch in der Reinheit der Formen und der soliden Pracht der Ausführung, nicht wohl von irgendeinem oberitalischen Palaste des fünfzehnten Jahrhunderts übertroffen werden. Eben deßwegen steht auch jeder fremde Künstler und Kunstsachverständige bewundernd vor derselben still.«

Und Dr. Rudolf Thietz (1885–1966), Erzieher der beiden Enkelsöhne Weras, beschrieb die Villa Berg noch 1911 in einem Brief an seine Eltern vom 10. Juni als »[…] ganz würdevolles Schmuckkästchen von wahrhaft kaiserlicher Pracht, reich an guten Gemälden und riesig kostbaren Vasen und Skulpturen. Dazu gehört ein herrlicher, sehr großer Park, der bis an den Neckar reicht.«

Ausführliche Beschreibungen zu weiteren Darstellungen der Villa Berg und allen anderen Blättern des »Olga-Albums« finden sich auf der Homepage der Staatsgalerie Stuttgart im Online-Katalog unter dem Stichwort »Olga-Album«.

Frau Dr. Corinna Höper ist Konservatorin für Zeichnungen und Druckgraphik in der Staatsgalerie Stuttgart / Graphische Sammlung. Sie betreut dabei insbesondere Italien und Frankreich vor 1800 sowie die Kunst von 1900 bis 1980. Wir danken der Staatsgalerie Stuttgart sehr für die Möglichkeit der Nutzung der Blätter des Olga-Albums, insbesondere danken wir Frau Dr. Höper für ihr Engagement.

Literatur (Auswahl)

  • Friedrich Müller, »Schildereien aus der Heimat. Die Villa Sr. K. Hoh. des Kronprinzen von Württemberg bei Stuttgart«, in: Neue Illustrirte Zeitschrift für Hannover, 7. Band, 1851, Nr. 36, S. 281–284, 290–291; Nr. 41, S. 321–323
  • Karl Büchele, Stuttgart und seine Umgebungen für Einheimische und Fremde, Stuttgart 1858, S. 302–309
  • Theodor Griesinger, Württemberg nach seiner Vergangenheit und Gegenwart in Land und Leuten. Seiner Majestät dem regierenden König Karl dem Ersten von Württemberg in tiefster Ehrfurcht gewidmet vom Verfasser, Stuttgart 1866
  • Max Bach, Stuttgarter Kunst 1794–1860. Nach gleichzeitigen Berichten, Briefen und Erinnerungen, Stuttgart 1900, S. 308–309 (Kunstblatt 1856), S. 312–320 (Villa Berg)
  • Traum der Jugend goldner Stern. Aus den Aufzeichnungen der Königin Olga von Württemberg, aus dem Französischen übersetzt und herausgegeben von Sophie Dorothee Gräfin Podewils, Pfullingen 1955
  • Carl Wolfgang Schümann, »›Olga wohnt himmlisch‹. Studien zur Villa Berg in Stuttgart«, in: Jahrbuch der staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 10, 1973, S. 49–87
  • Robert Uhland (Hrsg.), Das Tagebuch der Baronin Eveline von Massenbach, Stuttgart 1987
  • Paul Sauer, Regent mit mildem Zepter. König Karl von Württemberg, Stuttgart 1999
  • Das Königreich Württemberg 1806–1918. Monarchie und Moderne, Ausst.-Kat. Landesmuseum Württemberg [22.9.2006–4.2.2007], Ostfildern 2006
  • Rudolf Thietz, Ein Preuße kommt nach Württemberg. Die Lebenserinnerungen des letzten Prinzenerziehers im Königreich Württemberg, bearbeitet von Tilman Krause, Stuttgart 2006
  • Ulrich Gohl (Hrsg.), Die Villa Berg und ihr Park. Geschichte und Bilder, Stuttgart o.J. [2007]
  • Paul Sauer, Wenn Liebe meinem Herzen fehlt, fehlt mir die ganze Welt. Herzogin Wera von Württemberg, Großfürstin von Russland 1854–1912, Filderstadt 20072
  • Olga – russische Großfürstin und württembergische Königin. Ein Leben zwischen höfischer Repräsentation, Politik und Wohltätigkeit, hrsg. vom Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg, Stuttgart 2008
  • Das »Olga-Album«, Ausst.-Kat. Staatsgalerie Stuttgart [20.6.–25.10.2009], Ostfildern 2009
  • Im Glanz der Zaren. Die Romanows, Württemberg und Europa, Ausst.-Kat. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart [5.10.2013–23.3.2014], Ulm 2013 (S. 95–97: »›Souvenir‹ – Ein Erinnerungsalbum der Baronin Eveline von Massenbach«)