Die Stadtisten – Antworten auf unseren Fragenkatalog

Wir haben den Parteien und Wählervereinigungen, die bei der Stuttgarter Gemeinderatswahl 2014 antreten, einen offenen Fragenkatalog zur Villa Berg und ihrem Park zukommen lassen. Hier veröffentlichen wir die Antworten der Stadtisten, vertreten durch Christine Blankenfeld und Thorsten Puttenat .

1.1. Stehen Sie langfristig dafür, dass die Villa, die Studios und das komplette Gelände zurückgekauft werden sollen? Wenn nein, welche anderen Wege sind aus Ihrer Sicht denkbar?

Ja. Das gesamte Areal gehört in die Hände der Stadt. Denn mit der Villa und den Sendestudios bietet sich eine große Chance, in Stuttgart einen anderen Weg zu gehen. Die Gebäude liegen inmitten eines städtischen Parks. Und sollten deshalb nicht privatisiert werden. Das gesamte Ensemble gehört unserer Auffassung nach in Bürgerhand und sollte deshalb in kommunales Eigentum übergehen.

1.2 Stehen Sie langfristig dafür, dass die Sendestudios einer Parkerweiterung weichen sollen? Wenn nein, welche Alternativen sehen Sie? Wie stehen Sie zum Vorschlag im Park Wohnungen zu bauen?

Wir sind gegen einen Abriss der Sendestudios. Die Kosten dafür wären mit mehreren Millionen Euro immens. Wir meinen: viel Geld für eine grüne Wiese. Auch aus ökologischer Sicht halten wir einen Abriss relativ intakter Gebäude für nicht vertretbar. Raum, der an anderer Stelle neu gebaut werden müsste. Zudem fehlt in Stuttgart bezahlbarer Raum für soziale, kulturelle und bürgerschaftliche Zwecke. Die Sendestudios samt ihrer Infrastruktur bieten hier eine einmalige Chance. Sie eignen sich hervorragend für ganz unterschiedliche Nutzungen: Ateliers, Werkstätten, Proberäume für Musiker, Veranstaltungen, Raum für Vereine und Initiativen. Das besondere an den Sendestudios ist, dass sie drei schallgeschützte Tiefgeschosse bieten, die darüber hinaus mit Medientechnik ausgestattet sind. Was läge hier näher, als sie für Band, Musikunterricht und andere mediale Nutzungen zur Verfügung zu stellen? Hier stehen insgesamt rund 20.000 qm zur Verfügung, die in Stuttgart genau das bieten, was dieser Stadt fehlt: Freiräume für Kreative und Engagierte. Im Zusammenspiel mit einer kulturellen Nutzung der Villa würden sich so sich gegenseitig befruchtende Elemente des Areals die Klinke in die Hand geben und für Leben sorgen. Dabei müssen die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner natürlich berücksichtigt werden. Das Areal darf nicht seinen Charakter als Ruhepol und Naherholungsgebiet im Quartier verlieren. Das ist unsere Vision.

2.1 Setzen Sie sich dafür ein, eine Zwischennutzung der Villa oder der Sendestudios zu ermöglichen? Wenn ja, was ist aus Ihrer Sicht möglich und wo liegen die Grenzen?

Eine Zwischennutzung der Sendestudios wäre für uns das Mindeste, was geleistet werden sollte. Allerdings sind müsste diese den Nutzerinnen und Nutzern für mindestens zehn Jahre Planungssicherheit bieten. Sie investieren Zeit, und nicht zuletzt Geld, um die Räume für ihre Zwecke herzurichten. Insgesamt wäre eine Zwischennutzung für uns aber nur die zweitbeste Lösung.

3.1 Sehen Sie Möglichkeiten, den Verfall zu stoppen?

Es ist zwingende Aufgabe und Verantwortung des Eigentümers, diesen Verfall unverzüglich zu stoppen.

3.2 Sollen verantwortliche Personen oder Unternehmen aus Ihrer Sicht in die Verantwortung genommen werden? Wenn ja, wer und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht?

Eigentum verpflichtet. Das steht im Grundgesetz in Artikel 14. Es kann und darf nicht sein, dass das Gebäude immer weiter verfällt. Bei allem, was Recht sein mag, ist und bleibt es uns unverständlich, dass die Villa seit vielen Jahren im Dornröschenschlaf liegt und damit verfällt.

3.3 Was werden Sie tun, dass sich solche Entwicklungen künftig nicht wiederholen?

Unsere Möglichkeiten der politischen Einflussnahme sind begrenzt. Wir wollen weiterhin im Dialog mit der Stadtgesellschaft, der Politik und der Verwaltung bleiben. Wir wollen aber auch grundsätzlich die Frage stellen, wem die Stadt gehört. Es wäre im Einzelfall natürlich immer genau zu prüfen, ob alle rechtlich zur Verfügung stehenden Mittel auch konsequent zur Anwendung kommen, wenn sich eine ähnliche Situation aufs Neue anbahnt.

3.4 Welchen Umgang mit geschützter, äußerer Hülle der Villa Berg und dem ebenfalls geschützten Sendesaal schlagen Sie vor?

Die vordringlichste Aufgabe ist es, den Verfall zu stoppen, um so der zukünftigen Nutzung entgegenzukommen. Der Besitzer muss umgehend durch geeignete bauliche Maßnahmen dafür sorgen.

4.1 Was kann die Arbeit der Initiative aus Ihrer Sicht zum Fortgang des Projekts beitragen?

Die Arbeit der Initiative Occupy Villa Berg ist ein vorbildliches Beispiel bürgerschaftlichen Engagements und gehört von der Politik über sämtliche Lagergrenzen hinweg nicht nur gewürdigt, sondern in die Prozesse der Zukunft des Areals konkret miteinbezogen. Die Ergebnisse dieser Initiative sollten als Wegweiser künftiger Entscheidungen, das Areal betreffend, dienen. Wir sind zudem dafür, dass Occupy Villa Berg in Form sachkundiger Bürger gerade hinsichtlich eventueller Bürgerbeteiligungen eine Rolle spielen sollte. Sollte die Stadt eine weitere Bürgerbeteiligung durchführen, sollte Occupy Villa Berg einen festen Sitz darin haben.

4.2 Wie können die BürgerInnen bei der zukünftigen Entwicklung des Gebiets beteiligt werden und mitwirken?

Durch Bürgerbeteiligung. Occupy Villa Berg zeigte, dass man aus starren Formen solcher Beteiligungen etwas frisches, lebendiges machen kann. In Stuttgart sollten kreativere Verfahren der Bürgerbeteiligung entwickelt werden, die auch auf Dauer zur Beteiligung führen. Ein Nutzerrat, eine Stiftung für das Areal wären denkbar.

5.1 Sollte der Rückkauf aus Ihrer Sicht teilweise oder vollständig refinanziert werden? Wenn ja, welche Modelle sind denkbar?

Ohne eine zumindest teilweise Refinanzierung wird es kaum möglich sein, die Villa und vor allem die Sendestudios auf Dauer solide zu bewirtschaften. Eine Nutzung der Sendestudios könnte Teil der Refinanzierung werden. Der Abriss dieser Gebäude kostet unserer Auffassung nach unnötiges Geld, die Renaturierung ebenfalls. Eine Bespielung des Gebäudes hingegen würde Gelder einbringen.

5.2 In welchem Maß ist aus Ihrer Sicht eine öffentliche Förderung des laufenden Betriebs möglich?

Das können wir nicht abschließend beurteilen. Auch hier meinen wir: Stuttgart sollte neue Wege gehen und ein Finanzierungskonzept aufstellen, dass neue Einnahmequellen generiert, wie zum Beispiel eine Bürgerstiftung.

6.1 Angenommen, es gelingt der Stadt, das Areal vom Investor zurückzukaufen. Wie sieht das von Ihnen präferierte Nutzungskonzept dann konkret aus?

Generell begrüßen wir eine kulturelle Nutzung, die der Vielfalt dieser Stadt entspricht. Das bedeutet, dass man die Villa keiner monothematischen Nutzung zuführt, sondern ihr ein Konzept verpasst, das flexible Nutzungen zulässt. Montags ein Leseabend, Dienstags Tanzabend für Senioren, Mittwochs ein Poetry-Slam, Donnerstag eine Podiumsdiskussion, Freitags ein ruhiges Konzert für ein jüngeres Publikum, Samstags einen Flohmarkt, Sonntags diverse Workshops. Das sind Beispiele.

7.1  Was halten Sie von Beispielen für bürgerschaftliche und selbstorganisierte Projekte wie z.B. z.B. der Bürgerpark Bremen, das Lingnerschloss Dresden, die Seidlvilla München, die Bewegung „Komm in die Gänge“ in Hamburg oder der Bürgerbahnhof Leutkirch?

Wir begrüßen sie sehr, zeigen sie doch, dass bürgerschaftliches Engagement eine Stadt lebendig, attraktiv und besonders macht. Mit unserem Wahlslogan „Bürger machen lassen“ vertreten wir genau diese Position, die den genannten Beispielen alle Ehre macht. Das wäre in Stuttgart neu. Eine Kultur, die wir sehr gegrüßen würden.

7.2 Sind diese aus Ihrer Sicht auf die Villa Berg (ggf. und die Sendestudios) übertragbar?

Ja. Stuttgart hat im Zuge der Neugestaltung der Villa Berg und ihres Areals die große Chance, hier etwas zu schaffen, das weit über die Stadt hinausstrahlt und Beispielcharakter bekommen kann. All das in Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern.