Archiv der Kategorie: Wissenschaft

Video- und Modellpräsentation zur Villa Berg (14.07.15)

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Fotos: Projektraum Lotte

An der Architekturfakultät der Hochschule für Technik Stuttgart entstehen zur Zeit spannende Visionen und Konzepte zur Nutzung der Villa Berg in Stuttgart. 20 Studentinnen und Studenten im Master-Studiengang Architektur erhielten im Sommersemester 2015 die Aufgabenstellung, für die Villa Berg Entwürfe zu erarbeiten. Vorgabe war, ein Konzerthaus im Park unter Einbeziehung der Villa Berg zu errichten. Es entstanden spannende studentische Konzepte, die vom 10. bis 12. Juli im Projektraum Lotte zu sehen waren. Am 14. Juli gab es eine Finissage mit Präsentationen und einer Podiumsdiskussion.

Die Villa Berg inmitten des zugehörigen Parks ist einer der herausragenden historischen Orte Stuttgarts. Die inzwischen vom Verfall bedrohte Villa sollte unbedingt renoviert und einer angemessenen Nutzung zugeführt werden. Gleichzeitig benötigt die Stadt Stuttgart seit längerem ein zweites Konzerthaus neben der chronisch überlasteten Liederhalle. Ein solcher Kulturbau mit einem großen Saal mit 2000 bis 2500 Plätzen und einem kleinen Saal mit etwa 600 Plätzen könnte den Stuttgarter Osten kulturell entscheidend aufwerten. Der Standort im Bereich der Villa Berg wäre ideal unter anderem auch als Endpunkt der Ostendstraße, der Magistrale des Stuttgarter Ostens. Nach Abriss der Fernseh- und Funkstudios, die vor etwa 50 Jahren im unmittelbaren Umfeld der Villa Berg errichtet wurden, bietet sich hier die Chance, dieses neue Konzerthaus unter Einbeziehung der Villa Berg zu errichten, ein Konzerthaus im Park mit dem historischen Flair der reaktivierten Villa.

Vor diesem Hintergrund entstanden unterschiedlichste studentische Entwürfe, deren Zwischenstand im Projektraum Lotte gezeigt werden und Anregung zur öffentlichen Diskussion geben soll. Die weitere Ausarbeitung erfolgt dann im kommenden Semester in Form von Masterthesen. Die dazu angefertigten studentischen Arbeiten aus dem Master-Studiengang Architektur an der Hochschule für Technik Stuttgart wurden von Prof. Rebecca Chestnutt und Prof. Tobias Wulf betreut.

Die Ausstellung war im Projektraum Lotte vom 10.–12. Juli von 10–16 Uhr zu sehen. Die Finissage fand am 14.7.2015 statt. Die Semesterpräsentation war eine Veranstaltung der Hochschule für Technik in Kooperation mit dem Projektraum Lotte, Occupy Villa Berg war Kommunikationspartner.

Ausstellung: 10.–12. Juli 2015, 10–16 Uhr
Finissage: 14. Juli 2015, Einlass 18 Uhr – Präsentation 19 Uhr – Podiumsdiskussion 20 Uhr
Veranstaltungsort: Projektraum Lotte, Willy-Brandt-Straße 18, 70173 Stuttgart

Alexandre Cerovac: Umnutzung und Erweiterung der Villa Berg in Stuttgart

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Alexandre Cerovac macht in seiner Masterthesis „Umnutzung und Erweiterung der Villa Berg in Stuttgart“ den Vorschlag die Villa Berg als ein neuartiges Zentrum für Bürgerbeteiligung umzunutzen:

„Die Villa Berg in Stuttgart ist – nach Beendigung der Nutzung als Sende- und Konzertsaal des Südwestrundfunks – nun seit fast einem Jahrzehnt ungenutzt. Die Stadt Stuttgart und der Investor Property Development Investors GmbH, der die Villa erst im Januar 2014 erwarb, sind uneins über die gewünschte Nutzung der Villa. Jedoch wächst der Zeitdruck eine Nachnutzung für die Villa Berg zu finden, da sich der Zustand der Villa  zunehmend verschlechtert – das Gebäude befindet sich bereits in einem desolaten Zustand.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Forderungen nach mehr direkter Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungsprozessen in Deutschland bestehen. Im Kontrast dazu haben Reformbewegungen wie die Bürgerkommune wieder an Schwung verloren. Vor diesem Hintergrund besteht also ein Bedarf an öffentlichem Raum, in dem freie Meinungsäußerung, Information, Austausch zwischen Bürgern und die Auseinandersetzung von Bürgerschaft und politischen Entscheidungsträgern – kurz: in dem Bürgerbeteiligung am Politikprozess – ermöglicht wird. Die Neuplanung der Villa Berg in Stuttgart soll diesem Bedarf gerecht werden, indem ein öffentlicher Raum geschaffen wird, in dem der Austausch unter Bürgern und mit Politikern, Informationsbeschaffung und Wissenstransfer und damit die Beteiligung der Bürgerschaft an politischen Entscheidungen ermöglicht wird.“

Pläne zum Entwurf „Zentrum für Bürgerbeteiligung“

Alexandre Cerovac studierte zunächst Stadtplanung an der HfWU Nürtingen. Nach seinem Diplomabschluss entschied er sich für ein weiteres Studium an der RWTH Aachen im Bereich Architektur. Während seiner Zeit in Aachen entwickelte er eine Vorliebe für Baugeschichte, Denkmalpflege und die Architekturtheorie. Das frei gewãhlte Thema der Masterarbeit fundiert auf diesen Interessengebieten sowie auf seiner engen Verbundenheit zur Geburtsstadt Stuttgart. Seit 2014 arbeitet er als freier Architekt i.P., zusammen mit dem Architekturbüro Stocker an gemeinsamen Hochbauprojekten.

Eine Frage an Maria Gromadzka: Sie haben sich in Ihrer Masterthesis mit der ursprünglichen Konzeption in der Villa sowie einer möglichen Rekonstruktion befasst. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?

Veni, vidi… – Die Reise nach Italien

Die Entstehung der Villa Berg in Stuttgart habe ich als faszinierende Geschichte entdeckt, voller Leidenschaft und Ehrgeiz der drei Männer: Kronprinz Karl, Friedrich Wilhelm Hackländer – der Sekretär – und Christian Friedrich von Leins – der Hofbaumeister. Mitte des 19. Jahrhunderts, zur Zeit der Entwicklung der Eisenbahn, als das englische Wort „Tourist“ in der deutschen Sprache auftaucht, haben die drei Freunde entschieden, nach Italien zu reisen. Die Reise war für den Kronprinz beeindruckend. Besonders von dortigen Villen begeistert, verspürte der Thronfolger den Wünsch ein Stück Italien in Stuttgart zu erstellen. Wie der Renaissance-Adel wollte auch Kronprinz Karl näher zur Natur wohnen und das gesellschaftliche Leben mit der kulturellen Entwicklung verbinden und der Privatsphäre annähern. Der Wohnsitz war für den Kronprinz Karl und seine Frau Olga, Großfürstin von Russland, gedacht, welche er 1846 geheiratet hatte.

Abbildung 1: Geschichte

Villa oder Burg?

Das Besondere des Entwurfs der Villa ist die Finesse des Konzepts. Die Villa wurde 1845 auf der Spitze des Höll’schen Bühls, am Eingang des Stuttgarter Talkessels, gebaut. Das Bauwerk ist an der Blickachse zum Königsschloss Rosenstein ausgerichtet, welches dem Vater des Kronprinzen, Wilhelm I., gehörte und dies beeinflusst das ganze Konzept. Quer zu dieser gedachten Linie verläuft die Kompositionsachse der ganzen Anlage, die den Entwurf des Parks, die Lage des Gebäudes und die Bedeutung der Nordflügeln begründet. Die Villa ist auch durch eine Blickachse mit dem Württemberg verbunden, wo sich die Grabkapelle der Königin Katharina befindet und sich ursprünglich die Stammburg der Dynastie befand.

Abbildung 2: Park

Abbildung 2: Park

Die Gestaltungsidee der Villa Berg ist ebenso sehr durchdacht. Das Gebäude im Stil der italienischen Neorenaissance nimmt Bezug auf regionale Traditionen, die sich zum Beispiel im geschosshohen Sockel aus kräftigen Rustikaquadern des roten Sandsteins erkennen lässt. Dieses Untergeschoss, das auch die wichtigen Nordflügel mit den beiden Toren der Ein- und Ausfahrt umfasst, erwecken den Eindruck einer Ringmauer mit burgenartigem Charakter. Auch die Türme und Art des Innenhofs sind der italienischen Architektur fremd und erinnern eher an den Bau der germanischen Tradition.

Im Inneren der Villa

Im Inneren erfüllt das Bauwerk repräsentative und private Funktionen einer königlichen Residenz. Die Parkanlage und die Flügel mit dem Innenhof dienen dem herrschaftlichen Empfang. Das Eingangstor befindet sich auf der Blickachse zur Stadt Stuttgart in der Mitte des Nordflügels mit Übergang zum Park mit Belvedere. Im Erdgeschoss befinden sich repräsentative Räume des gesellschaftlichen Lebens, die sich in den Gebäudeachsen auf die vorgelagerten Terrassen des Unterbaus öffnen. Die Raumfolge ist zirkular um den Kern des Treppenhauses angeordnet. Der größte Raum ist der zweigeschossige Tanzsaal mit einer Galerie für Orchester und Zuschauer. Die zentrale, repräsentative Treppe führt ins Obergeschoss. Diese Ebene ist in zwei symmetrische Hälften aufgeteilt. Auf der Südseite befinden sich die Zimmer des Königs, auf der Nordseite die Zimmer der Königin. Die beiden Raumfluchten der privaten Bereiche treffen sich im gemeinsamen Schlafzimmer. Im Dachgeschoss befinden sich Räume für die Bediensteten. Im Untergeschoss sind grottenartige Räume einer Badeanlage mit einer Verbindung zu dem vorgelagerten Wasserbecken eingebaut.

Abbildung 3: Funktionen

Abbildung 3: Funktionen

Damals und heute

Sowohl diese gestalterischen Elemente, die Qualität des Entwurfs, die Komposition und Lage der Villa als auch die Entstehungsgeschichte machen die Villa und den Park in ihrer ursprünglichen Gestaltung zu einer Einheit von hoher Wichtigkeit. Die Villa wurde 1951, nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, nach der damals vorherrschenden Denkweise ohne Rücksicht auf das bestehende Bauwerk, sondern nur im Hinblick auf die neue Nutzung – der Sendesaal – umgebaut. Die Nutzung erforderte erhebliche Änderungen im ursprünglichen Konzept. Durch die Zerstörung der Flügelbauten und die Errichtung der Studiobauten sind die Blickachsen architektonisch nicht mehr vorhanden. Der Bau des Studios in unmittelbare Nähe hat die Villa ihrer Dominanz beraubt. In den nach dem Bombenbrand übrig gebliebenen Außenmauern wurde der zweigeschossige Sendesaal nach dem Entwurf von Egon Eiermann eingebaut. Um den Sendesaal stützenfrei konstruieren zu können, wurden die Turmaufbauten an den vier Ecken des Gebäudes entfernt. Durch diese Maßnahmen gingen die architektonischen Grundmotive und die ästhetischen Proportionen des Entwurfs von Christian Friedrich Leins verloren.

Die Villa Berg schafft Identität

Die Villa Berg wurde am Beginn der Industrialisierung sowie während politischer und philosophischer Umbrüche entworfen. Es waren die Zeiten der stürmischen Diskussionen, in der man die Fragen nach Bedürfnissen der neuen Gesellschaft beantworten wollte. Auch in der Architektur suchte man nach einer eigenen Identität in der sich verändernden Welt. Gottfried Semper (1803 – 1879), der große Architekturtheoretiker, schrieb damals über Faktoren, die in einem Gebäude erkennbar sein sollen: „alle räumlichen und persönlichen Einflüsse und Momente der Gestaltung (…): physische Beschaffenheit des Landes (…) [und] lokale Einflüsse (…). Endlich, ist noch die Hand des Künstlers, dessen individuelle Persönlichkeit und Stimmung hervorzuheben“[1]. Er zeigt, dass ein Gebäude an regionale Bedürfnissen und Traditionen angepasst werden sollte, um die Identität der lokalen Gesellschaft zu stärken. Im Entwurf der Villa Berg wurde das durch Bezüge an regionale architektonische Elemente und Blickachsen verwirklicht. Heutzutage hat sich die Recherche der Kulturwissenschaften in dieser Richtung stark weiterentwickelt. Beispielsweise wurde nachgewiesen, dass es neben dem Gedächtnis jedes einzelnen Menschen auch ein „Gruppengedächtnis“ gibt, in welchem Kultur, Werte und Identität gespeichert und durch verschiedene Elemente tradiert werden. Diese können zahlreiche Formen annehmen: von der architektonischen Gestalt der Stadt bis zum spezifischen Idiom der Sprache oder den unzählbaren Details des Alltags. Die Villa Berg übernimmt in Stuttgart eine derartige Funktion. Die Forschungen kommen zu dem Ergebnis, dass das Gruppengedächtnis geprägt und geschützt werden muss, um die Identität der Gesellschaft und der Einzelnen zu schützen.

„Süddeutsche Akademie der Künste und Wissenschaften“

In dem Entwurf meiner Masterarbeit gehe ich davon aus, dass durch den Umbau 1951 die im Entwurf erhaltene Verbindung mit geschichtlichen Wurzeln unterbrochen wurde. Die übrigen Elemente des Konzeptes – Außenwände des Gebäudes und Teile des Parks – bilden keine Einheit mehr. Deswegen stelle ich in meinem Projekt ein Konzept vor, in dem der Sendesaal von Egon Eiermann herausgenommen und an einem anderen Ort wieder aufgebaut wird, dafür wird im Inneren der Villa das ursprüngliche architektonische Gefüge nach zeitgenössischen Bedürfnissen wiederaufgebaut. Auch die für das ursprüngliche Konzept wichtigen Nordflügeln und Türme werden in moderner Formensprache wiederhergestellt. Im Projekt war es mir wichtig, die Blickachsen wieder wirken zu lassen. So entsteht ein Konzept von einer „Süddeutschen Akademie der Künste und Wissenschaften“. Die wiederhergestellte Villa Berg soll ein Ort der Begegnung für Stuttgart werden. In diesem Konzept wird das Gebäude zum Zentrum des Denkens und Schaffens. Hier werden Räume für Arbeit und Kommunikation zur Verfügung gestellt. Ziel des Projektes ist die Wiederverknüpfung und gegenseitige Unterstützung von zum Teil sich widerstrebenden oder ignorierenden Kräften: Wissenschaft und Kunst – und deren Verbindung mit der Öffentlichkeit. Hier finden Sie die Pläne zu dem Entwurf „Süddeutsche Akademie der Künste und Wissenschaften“:

Im Erdgeschoss befinden sich Seminar- und Ausstellungsräume und im Obergeschoss die Säle für Gruppenarbeit. Im Dachgeschoss werden Hotelzimmer und Appartements für Teilnehmer des Projektes eingeplant. Nicht nur die dynamische innere Struktur des Gebäudes mit seinen vertikalen und horizontalen Verbindungen wird wiederhergestellt, sondern auch die Abstufung der privaten Sphäre der Villa, was sich in der Fassadengestaltung wiederspiegelt. Die Räume in Nordflügel dienen als Ateliers für Künstler und die Terrassen als Cafeteria. Im Untergeschoss werden Thermen geplant. Zusammenfassend ist der Schwerpunkt meines Entwurfs das Wiederanknüpfen an die Elemente des ursprünglichen Konzeptes, die Integration in eine Einheit und die Verbindung der Villa Berg mit der Struktur der Stadt als ein Ort der Begegnung. Die vollständige Arbeit – vorgelegt von Maria Gromadzka als Masterthesis an der Hochschule für Technik im SS 2014, unter Betreuung von Prof. Peter Krebs, Prof. Harald Roser und Prof. Peter Schneider – finden Sie in der folgenden PDF-Datei. Eine weitere Veröffentlichung oder Vervielfältigung der Diplomarbeit ist ohne Zustimmung der Autorin nicht erlaubt.

[1] Semper, Gottfried: Schmuck als Kunstsymbol, in: Monatsschrift des wissenschaftlichen Vereins. Akademische Vorträge, Heft 3, S. 5-42, Zürich 1856, S. 40

Maria Gromadzka studiert Denkmalpflege an der Technischen Universität in Berlin. Zuvor studierte sie Architektur an der Hochschule für Technik in Stuttgart und an der Universität der Künste in Poznań. Die Faszination für Denkmalpflege hat mit der Masterarbeit zur Villa Berg in Stuttgart angefangen. Ihre beruflichen Wege sind noch offen, aber eine Richtung wurde damit gelegt.

Hochschulkooperation

Die Hochschule für Technik Stuttgart und die Knödler-Decker-Stiftung konnten für die Villa Berg und den Park begeistert werden. Im Rahmen eines Projekts, das verschiedene HfT-Institute einbezieht und über mehrere Semester läuft, werden gemeinsam mit Studenten verschiedene, das Areal betreffende Themen aufgearbeitet. Eine hochschulübergreifende Zusammenarbeit z.B. mit der Uni Stuttgart, der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und der FH Nürtingen ist angestrebt.

Atlas „Villa Berg“

In einem wissenschaftlichen „Atlas Villa Berg“ werden Materialien und Quellen zur Villa Berg und Park erfasst, aufbereitet und – wenn möglich – online publiziert. Ergänzend werden Masterarbeiten vergeben, ein Modell der Villa Berg soll entstehen.

Ausstellung „Villa Berg“

Der Atlas bildet die Grundlage für eine Ausstellung zur Villa Berg. Diese greift vorhandende Inhalte (Ausstellung Muse-o, Material „Occupy Villa Berg“) auf und ergänzt diese z.B. um Modelle, studentische Entwürfe und evtl. SWR-Beiträge (Filme, Fotos, …). Die Ausstellung soll bis Frühjahr 2015 entstehen und an verschiedenen Stationen in Stuttgart sichtbar werden (z.B. vor Ort, Muse-o, Rathaus, HfT).

Egle-Pavillon am Belvedere

Der von Joseph von Egle erbaute Pavillon am Belvedere am Rosengarten im Park der Villa Berg soll gereinigt und saniert werden. Er könnte so zu einem Symbol für die Potentiale des Areals werden. Dazu findet zunächst eine Dokumentation und Bauaufnahme statt sowie eine Materialuntersuchung und Abstimmung mit dem Garten-, Friedhofs- und Forstamt und dem Amt für Denkmalschutz. Das Kultursponsoring von Kärcher hat sich bereit erklärt bei einer Reinigung zu unterstützen. Bei der Reinigung könnten BürgerInnen in Form einer „Parkputzete“ einbezogen werden. Um die Wirkung und Akzeptanz der Reinigung zu erhöhen, könnten auch Kinder und Jugendliche z.B. in Form eines Urban-Art-Workshops einbezogen werden. Als gemeinsamer Abschluss besteht der Wunsch ein kleines Parkfest zu veranstalten.

Das Projekt wird koordiniert von Prof. Dr. Peter Schneider und Senator E.h. Ulrich Scholtz.

Eine Frage an Katrin Barz und Markus Rötzer: Sie haben sich in Ihrer Diplomarbeit mit den Grundlagen zur Rekonstruktion des westlichen Gartens der Villa Berg beschäftigt, was waren Ihre Erkenntnisse?

Die Villa Berg – Der westliche Garten – Grundlagen zur Rekonstruktion

Der westliche Parterregarten der Villa Berg – ein Erwachen aus dem Dornröschenschlaf?

Es war einmal… so beginnen eigentlich nur Märchen. Doch auch nach einem Jahrzehnt geben wir die romantische Hoffnung nicht auf, dass der westliche Garten der Villa Berg wieder im Glanz seiner Ruhmeszeiten erstrahlen wird und kann. Wir, dass sind Katrin Barz und Markus Rötzer, Absolventen der Hochschule Nürtingen. Durch unsere Leidenschaft zu alten Gärten und der Gartendenkmalpflege (daran ist unser ehemaliger Professor Karl Ludwig schuld) setzten wir uns 2001 an unsere Diplomarbeit und machten es uns zur Aufgabe, die „Grundlagen zur Rekonstruktion des westlichen Gartens der Villa Berg“ ans Tageslicht zu bringen.

Markus und ich waren uns von Anfang an einig, dass es ein krönender Abschluss unserer Arbeit sei, darzulegen, dass der westliche Parterregarten mit seinen wunderschönen Einbauten und Achsen nach dem Vorbild des Landschaftsarchitekten Neuners und den geltenden Regeln der Gartendenkmalpflege rekonstruierbar d.h. 100% wiederherstellbar ist.

Parterregarten

Abbildung 1: Parterregarten 1897

Doch warum entfachte gerade dieser Garten unsere Leidenschaft? Aufmerksam wurden wir auf dieses Fleckchen Erde während einer Führung durch die ehemalige und zum Teil noch bestehende Grünachse von Stuttgart. Diese erstreckte sich um 1840 vom Schlossplatz über den  Rosensteingarten und dem Höllschen Bühl zum Örtchen Berg, damals noch nicht zu Stuttgart gehörend. Wir konnten es nicht fassen, dass nicht nur durch Kriege sondern auch durch bauliche Fehlentscheide (wie in vielen Städten), die Grünachse von ihrem ursprünglichen Ausmaß immens an Charme und Fläche verloren hatte und leider immer noch hat.

Grün in der Stadt ist wichtig, sei es zur Kurz- oder Langzeiterholung der Einwohner oder zur Verbesserung des Stadtklimas. Um ein besseres Verständnis zu den Hintergründen und Ereignissen rund um die Villa Berg zu erlangen, verbrachten wir etliche Stunden vertieft in alte Bücher oder durchforsteten Keller nach Plänen und Bildern. Wir hielten am Ende eine umfangreiche Sammlung an Informationen in der Hand und beschlossen, nicht nur auf den Parterregarten in unserer Arbeit einzugehen, sondern auch ansatzweise auf das „drumherum“.

Somit betrachteten wir anfänglich die Gemeinde Berg, ihre und Stuttgarts historische Entwicklung und die Lage in 2001. Nachdem wir uns über die Wichtigkeit der topografischen Lage der Villa klar wurden, widmeten wir uns den fünf Hauptakteuren, die der Villa und ihrem umgebenden Landschaftsgarten ihr Flair gaben:

  1. König Karl (vollständiger Name: Karl Friedrich Alexander) = Auftraggeber
  2. Großfürstin Olga Nikolajewna = Gemahlin König Karls
  3. Friedrich Wilhelm Hackländer = Sekretär und Reisebegleiter von König Karl
  4. Christian Friedrich Leins = Architekt der Villa Berg
  5. Friedrich Neuner = Landschaftsarchitekt/Gartenkünstler

Um die Konzeption der Villa Berg zu verstehen war es unabdingbar, zumindest einen kurzen Abriss der Geschichte und Begrifflichkeit der Villenkultur aufzuzeigen. Dafür wagten wir einen Rückblick von 200 Jahren. Wir stellten fest, dass einerseits die Italienreise des Kronprinzen Karls in Begleitung seines Sekretärs Hackländer und anderseits der Besuch der Weltausstellung in London 1862 und dem Besuch der Villa Goodwin Einfluss auf die Entstehung der Villa Berg und ihrem Garten hatten.

Villa Goodwin

Abbildung 2: Villa Goodwin, England

Von den Geometrien der westlichen Gartenpartien, der Lage, den Blickbeziehungen und des Bauwerks verkörpert die Villa Berg alle Merkmale der Villenarchitektur in 200 Jahren und diente als Vorbild für weitere Villen in Stuttgart.

Die Topographie, das Bauprogramm, die Fassade und das Gebäude an sich erhielten auch ein paar Seiten in unserer Arbeit. Danach gingen wir zu unserem Kernthema über: Dem westlichen Parterregarten. Auch hier legten wir Wert darauf, eine Zusammenfassung des kompletten 16ha großen Gartens abzuliefern. Neben dem westlichen Garten im Renaissancestil bestand der Garten weiter aus:

  1. Orangerie mit angrenzenden Glashäusern
  2. Gemüsegarten mit seltenen Topfpflanzen in den Gewächshäusern
  3. Seen mit Springbrunnen, angelegter Rain mit Kaskaden
  4. Verstreut über den Garten: strohbedeckte Kioske
  5. Irrgarten
  6. Vierreihige Platanenallee
  7. Englischer Landschaftspark
  8. Südlicher Garten im französischen Stil, an der Villa Auffahrtsrampe und Terrassen, Stufen zum Südgarten
  9. Westlicher Garten im Renaissancestil, mit Halbmondsee und Pergola
  10. Rosengarten
  11. Leins Weg
  12. Weinberge, Anleihe an den Ursprungszustand des Höllschen Bühls
Lageplan

Abbildung 3: Lageplan der Villa Berg und Garten

Wie im Lageplan erkennbar, war der westliche und südliche Gartenteil symmetrisch und geordnet angelegt. Ihm gegenüber steht der englische Landschaftspark mit seinen Brezelwegen.

Ein französisch-italienischer Garten oder doch eher englisch? Dies war die nächste Frage die wir uns stellten. Wir sahen uns beide Gartenstile an, analysierten diese und kamen zum Entschluss, dass der Garten der Villa Berg trotz der deutlichen Verwendung von Achsen und weiteren Elementen der italienischen Renaissance, eher einem „Pleasure Ground“ nahe steht. Dies wird auch durch das verwendete Pflanzensortiment untermauert. Eine komplette Auflistung der Pflanzen befindet sich in der Diplomarbeit.

Nach all den erlangten Erkenntnissen zur Kulturhistorie und den baulichen Tatsachen, fühlten wir uns „wissend“ genug die Komplettbetrachtung des Gartens abzuschließen. Es ging an den Parterregarten! Hier gliederten wir unsere Arbeit wie folgt:

  1. Der Parterregarten bis 1890
  2. Der Parterregarten im 20. Jahrhundert
  3. Bestandsaufnahme
  4. Die heutige Nutzung

In Kapitel 1 gingen wir auf die Unterschiede des geplanten und tatsächlich ausgeführten Garten, auf die Achsen und Richtungen, die Höhensprünge des Geländes, die Pflanzen und den angelegten Beet Formen, den baulichen Elementen sowie den Statuen und Brunnen, dem Wegesystem und den Rasenflächen.

Das Kapitel 2 beschreibt den Wandel der Villa Berg und des Gartens im 20. Jahrhundert. Unter anderem der Verkauf des Areals am 20.09.1914 an die Stadt Stuttgart, die Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg und den Verkauf an den Süddeutschen Rundfunk. All das hat seine Spuren an der Villa hinterlassen.

Wie der Titel „Bestandsaufnahme“ schon verrät, haben wir uns für dieses Kapitel vor Ort begeben und alle Elemente, die im ersten Kapitel beschrieben wurden, gesucht, aufgenommen, fotografiert und analysiert. Der Ist-Zustand wurde dokumentiert, der uns teilweise schockierte. Denn verglichen mit der damaligen Oase, die zum Verweilen einlud, konnte bzw. kann man nur noch mit viel Fantasie erahnen, welches Prunkstück der westliche Garten einst war.

„Die heutige Nutzung“ und das letzte Kapitel des Parterregartens beinhaltet die Nutzung der Villa durch den SWR. Unsere Diplomarbeit entstand noch zu Zeiten, als die Villa Berg Eigentum des SWR und somit die Nutzung klar definiert war: Sendesaal, Büroräume und Veranstaltungsort. Der Garten an sich entwickelte sich von einem Bürgerpark (Von Adelshäusern angelegte Grünanlagen, später für die Bürger geöffnet), zum Volkspark, zum Stadtpark und heute?

Spaziergänger nutzen die Fläche, manche spielten Schach oder unterhielten sich auf den Parkbänken in der Sonne, Frisbee wurde gern gespielt und die Mitarbeiter des SWR verbrachten dort ihre Mittagspause. Doch zum Verweilen lud er nicht ein, eher zum „Durchgehen“. Zu einem Besuch bei Nacht rieten wir keinem.

Visionen, ja die haben wir und auch wenn der Zustand des Gartens 2001 erbarmungswürdig ist, ist er zur Entwicklung eines Leitbildes eher förderlich, da er nicht durch andere Zeitströmungen beeinflusst wurde. Damit ist es möglich, die  wenige historische Substanz zu erhalten, durch Grabungen zu verifizieren und zu untersuchen.

„Wenn die überkommene historische Substanz aus nur einer Anlagephase stammt und der Originalzustand hinlänglich genau dokumentiert ist, muss er als höchstes Ziel heutiger und künftiger Behandlungen des Gartens angesehen werden.“ (Hennebo, Gartendenkmalpflege, S. 58).

Da der Parterregarten aus nur einer Anlagephase besteht und wir mit unserer Diplomarbeit eine Dokumentation abgeben, muss es – laut Hennebo – unser höchstes Ziel sein, diesem Garten sein Ansehen zurück zu geben. Schon 2001 schlugen wir deshalb kurzfristige, mittelfristige und langfristige Maßnahmen zum Erhalt und Sicherung des Parterregartens vor.

Nach all den Erkenntnissen sind wir 2001 zu dem Fazit gekommen, dass durch die genannten Gründe eine Rekonstruktion des westlichen Gartens möglich ist. Ob dies nach 12 Jahren ebenso zutrifft, lässt sich nur hoffen. Klarheit darüber kann nur eine weitere Betrachtung unter den Aspekten der Gartendenkmalpflege geben. Da es jedoch keine weiteren baulichen Veränderungen am Gelände gab, stehen die Chancen gut, den westlichen Garten aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken.

Der Park der Villa Berg ist einmalig in Stuttgart. Sei es aus kulturhistorischer oder kunsthistorischer Sicht. Diese Eigenschaften sollte sich die Stadt endlich zu Eigen machen und die Gunst der Stunde nutzen, eine Perle in Stuttgart wieder aufleben zu lassen.

Die vollständige Diplomarbeit finden Sie hier. Eine weitere Veröffentlichung oder Vervielfältigung der Diplomarbeit ist nicht erlaubt.

Katrin Barz ist Marketerin in Berlin und Inhaberin der Agentur “Katrin Barz – kreativ, flexibel & spontan”. Geboren in Holzminden, der Heimatstadt des Barons von Münchhausen, verbrachte sie Kindheit und Jugend im beschaulichen und gemütlichen Städtchen Mengen (Landkreis Sigmaringen). Dort absolvierte sie ihr Abitur und schloss auch ihre Ausbildung zur Floristin ab. Für ihr Studium der Landschaftsarchitektur zog es sie nach Stuttgart. 2003 startete sie ihren Quereinstieg ins Marketing und ist seither begeisterte Marketerin.

Markus Rötzer ist Landschaftsarchitekt bei faktorgruen – Freie Landschaftsarchitekten und verantwortlich für Entwurf, Wettbewerbe und Ausführungsplanung. Faktorgruen ist mehr als ein Büro für Landschaftsarchitektur – geplant wird für den Menschen mit all seinen Wünschen und Bedürfnissen, für eine lebenswerte Umwelt und eine intakte Natur. Seit 1983 beschäftigen sich hiermit im Büro faktorgruen über 30 Landschaftsarchitekten, Diplom-Ingenieurinnen, Geo-Ökologen und technische Mitarbeiterinnen.

Die Autoren danken dem Garten-, Friedhofs- und Forstamt der Landeshauptstadt Stuttgart, Herrn Andreas Hellmann für die Unterstützung und Freigabe zur Veröffentlichung.