Eine Frage an Ingrid Felgenträger: Welche Bedeutung hatte die Villa Berg im Laufe der Rundfunkgeschichte für den SDR bzw. SWR?

Die Geschichte der Villa Berg als Teil des Rundfunkgeschehens reicht bis in die Anfänge des Süddeutschen Rundfunks zurück – und damit naturgemäß bis weit über meine aktive Zeit in diesem Hause hinaus. Ich möchte daher nicht verhehlen, dass ich mich bei meiner Antwort dankenswerterweise auf eine kleine Zusammenstellung unseres SWR-Kollegen Jens Nagler stütze, die er im Jahr 2001 im Rahmen einer internen Betrachtung erarbeitet hat.

Die Villa Berg gelangte nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg sozusagen als „Tauschware“ unter die Produktionsstandorte des Süddeutschen Rundfunks. Im Rahmen des Wiederaufbaus wurde auf einige architektonische Besonderheiten verzichtet, so beispielsweise auf die vier vormals bestehenden Ecktürme und die Flügelbauten im Norden. Dafür wurde besonderer Wert auf den Ausbau des Innenraums zu einem großen Sendesaal gelegt – eine Maßnahme, die bei den Stuttgarterinnen und Stuttgartern nicht nur auf Gegenliebe stieß, wie Leserbriefe aus dieser Zeit zeigen.

Für die Rundfunkgeschichte des SDR war der neue Sendesaal allerdings von erheblicher Bedeutung, schließlich waren nach der Zerstörung des alten Funkhauses am Charlottenplatz die Räumlichkeiten knapp, zumal das 1945 gegründete „Große Orchester“ Platz benötigte. Gute Akustik und vor allem die neue Rundfunkorgel bereicherten das Musikprogramm des SDR seit der Einweihung am 15. April 1951, die mit einer „Woche der internationalen Musik“ gefeiert wurde. Zahllose Aufnahmen von U- und E-Musik aus der Villa Berg zeugen in den SWR-Schallarchiven vom Wert der Villa Berg als Aufführungsort.

In den folgenden Jahrzehnten fanden regelmäßig wichtige Veranstaltungsreihen im Sendesaal der Villa Berg statt, die die Geschichte des SDR mit prägten. Dazu gehörten die „Woche der leichten Musik“ (1951 bis 1981), die von vielen ausländischen Rundfunkanstalten übertragen wurde, die „literarischen Morgenveranstaltungen“ oder „Gäste im großen Sendesaal“ (1962 bis 1985) mit beliebten Kabarettisten wie „Häberle und Pfleiderer“ und musikalischem Rahmenprogramm unter anderem von Catharina Valente oder dem ersten Rundfunkauftritt der „Flippers“.

In den 60ern und 70ern feierte Hans Rosenthal mit gleich vier Radio-Unterhaltungssendungen große Erfolge in der Villa Berg: „Allein gegen alle“, „Frag mich was“, „Spaß muß sein“ und „Prominente unter dem Hammer“, die sogar bimedial in Hörfunk und Fernsehen ausgestrahlt wurden. Schon damals war die Interaktion mit Publikum und Hörerschaft ein wichtiger Bestandteil.

Als letzte große Unterhaltungssendung moderierte Elmar Gunsch von 1981 bis 1985 das „Länderspiel“ aus der Villa Berg, bei dem Folge für Folge ein neues Land vorgestellt wurde. Wie schon in den meisten Rosenthal-Shows sorgte das legendäre „Südfunk-Tanzorchester“ unter Erwin Lehn, das bereits seit der Fertigstellung der Villa Berg 1951 Dauergast war, für die passende musikalische Begleitung.

Am 19. August 1989 schaffte es die Villa Berg in einer Sternstunde des SDR sogar ins Guiness-Buch der Rekorde. 1501 Musiktitel, einzig unterbrochen von Nachrichten, bedeuteten amtlich die längste Hitparade der Welt. Sechs Tage und fünf Nächte hatten die SDR3-Moderatoren Stefan Siller und Thomas Schmidt dafür durchgesendet, die letzten 20 Titel davon live und gefeiert von rund 10.000 Hörerinnen und Hörern aus dem Park der Villa Berg -die Geburtsstunde der noch heute überaus erfolgreichen SWR1-Hitparade.

Ende der 90er-Jahre wurde es ruhiger um das Haus. Ein wesentlicher Grund dafür war der erhebliche und zum Teil auch dringende Sanierungsbedarf der Villa Berg – sei es bei den sanitären Anlagen, der Bestuhlung im großen Sendesaal oder den beschränkten Möglichkeiten der Bühne und des abfallenden Bodens im Sendesaal, der aufgrund des Gefälles keine Veranstaltung mit Tischen und Bewirtung möglich machte.

Die gänzlich fehlende Ausstattung an Veranstaltungstechnik und der damit erhebliche Kostenfaktor für Anmietung und Ein- und Abbau von Ton- und Lichttechnik gaben am Ende den Ausschlag, die Sendungen, Konzerte und Veranstaltungen in der Villa Berg einzustellen.

Ingrid Felgenträger, 1950 in der Nähe von Köln geboren, studierte in Mainz angewandte Sprachwissenschaft mit dem Abschluss Diplom-Übersetzerin. Nach Stationen in der Intendanz und der Fernsehdirektion des Saarländischen Rundfunks (SR) wechselte sie 1998 mit der Fusion von SDR und SWF als Leiterin der Fernseh-Programmplanung zum neuen SWR in Baden-Baden. Von Januar 2005 an leitete sie in der Fernsehdirektion die Hauptabteilung Programmkoordination und Service. Seit April 2009 ist sie Landessenderdirektorin Baden-Württemberg und vertritt abwechselnd mit ihrer Kollegin in Rheinland-Pfalz, Dr. Simone Sanftenberg, den Intendanten.

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